Gehaltspolitik: Fair bezahlen bevor es Pflich...
Gehaltspolitik

Fair bezahlen bevor es Pflicht wird

Malik E/peopleimages.com/Stock.Adobe.com
Unterschiedliche Bezahlung: Gründe offenbaren sich erst nach genauer Analyse.
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Fair bezahlen bevor es Pflicht wird
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Dass Frauen bei gleicher Qualifikation und Tätigkeit 7 Prozent weniger verdienen als Männer, ist in Deutschland immer noch Fakt. Das unbereinigte Gender-Pay-Gap liegt gar bei 18 Prozent. Unternehmen, die jetzt ihre Gehaltsstrukturen aufräumen, sammeln Sympathien und handeln proaktiv.

Die Gehaltslücke zwischen Frauen und Männern ist auch in der FMCG-Branche real: Das unbereinigte Gender-Pay-Gap liegt im Einzelhandel bei 9 Prozent. Noch deutlicher fällt der Unterschied bei produzierenden Betrieben aus: Bei Getränkeherstellern verdienen Mitarbeiterinnen 12 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, in der Nahrung- und Futtermittelherstellung sind es 26 Prozent. Trotz Daten wie diesen von der Hans-Böckler-Stiftung sehen bislang nur wenige Unternehmen der Branche Handlungsbedarf.

Bei einer Umfrage der LZ zum Thema Gender-Pay-Gap unter Händlern und Herstellern reichen die Antworten von Schweigen bis zu großem Selbstbewusstsein. Aldi Süd etwa teilt mit: "Ungleichbehandlung ist bei uns ausgeschlossen". Grundlage für die Vergütung sei eine "klare Gehaltsstruktur" – unabhängig vom Geschlecht. Die Edeka-Gruppe kann die Frage nach einem Gender-Pay-Gap "aufgrund der genossenschaftlichen Struktur nicht pauschal beantworten", die Rewe-Gruppe will sich grundsätzlich nicht äußern.

Anders ist das bei Lidl Deutschland. Der Discounter hat bereits 2021 eine Gender-Pay-Gap-Analyse durchgeführt, wie dem Nachhaltigkeitsbericht zu entnehmen ist. Das Ergebnis: "ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle, dem wir mit Maßnahmen entgegenwirken." Genauere Einblicke gewährt Lidl nicht, bekennt sich aber schriftlich "zu einer fairen Entgeltpolitik" und verweist auf "geschlechtsunabhängige Stufenmodelle", Tarifbindung sowie Mentoringprogramme für Frauen, um mehr Lohngleichheit zu erreichen.

Dr. Oetker glaubt ebenfalls an den Tarif: Seine Anwendung schließe "prinzipiell eine ungleiche Bezahlung bei gleicher Tätigkeit aus". Im außertariflichen Bereich setze der Hersteller auf die Positionsbewertung nach der Gehaltsbemessungssystematik der Korn Ferry Hay Group, die die Vergütung mit Marktdaten vergleiche und so das Gehalt der Position festlegen.

"Unternehmen tendieren dazu, Unterschiede in der Bezahlung nicht wahrzunehmen", weiß Fair-Pay-Aktivistin Henrike von Platen. "Erst wenn sie schwarz auf weiß sehen, welche Lücken sich auftun, beginnen sie zu handeln." Basis sei die Bereitschaft zu einer Entgeltanalyse von Vergütungsberatungen wie WTW, Mercer oder Hkp, die sie als Partner ihres Fair Pay Innovation Lab mit ins Boot geholt hat. Von Platen hat ein Prüfsiegel für faire Vergütung entwickelt, den "Universal Fair Pay Check", der "weltweit als einziger den Status einer europäischen Gewährleistungsmarke erfüllt". Dies sei so streng wie ein TÜV-Siegel. Gerade hat BMW als erstes Unternehmen das höchste Level der Zertifizierung erreicht. Von Platen ist überzeugt, dass das Interesse wächst. 

Gerade für internationale Unternehmen lohne es sich, globale Standards zu erarbeiten, um nationale Entgeltgleichheitsgesetze zu erfüllen. So veröffentlicht Mars Wrigley in UK seit 2017 einen Gender-Pay-Gap-Report. Für Deutschland sei bislang nichts geplant. "Wir führen Ad-hoc-Analysen in verschiedenen Ländern durch, und das Ergebnis ist immer dasselbe – dass unsere Verfahren die Gleichstellung fördern", so Personalchef Przemek Misiewicz.

Für mehr Druck sorgt die EU-Reform der Nachhaltigkeitsberichterstattung. "Durch die European Sustainability Reporting Standards werden fast alle Unternehmen auskunftspflichtig zum Thema Gender-Pay-Gap", erklärt Jennifer Schulz, Expertin für Fair-Pay-Analysen bei der Unternehmensberatung Hkp Group. Bereits für das Jahr 2025 müssen etwa Betriebe mit mehr als 250 Beschäftigten, mehr als 40 Mio. Euro Nettoumsatzerlös oder einer Bilanzsumme von über 20 Mio. Euro ihr unbereinigtes Gender-Pay-Gap im Nachhaltigkeitsbericht ausweisen.


Das bedeute viel Aufwand. "Für Unternehmen ist es eine große Herausforderung, da oft notwendige Informationen nicht zentral vorliegen, um das unbereinigte Gender-Pay-Gap über Landesgrenzen hinweg zu ermitteln." Das gilt erst Recht für das bereinigte Gender-Pay-Gap, bei dem weitere Faktoren wie Berufserfahrung, Bildungsabschluss oder die Wertigkeit der Stelle die unterschiedliche Bezahlung erklären dürften. Unternehmen, die bereits ein Stellenbewertungssystem eingeführt haben, könnten dies hier gut nutzen.

Besteht auch nach dem Herausrechnen dieser Faktoren eine Lohnlücke, beginnt die Feinarbeit, um die Gründe dafür zu verstehen und zu verändern: Sind Frauen z.B. mit niedrigeren Gehältern gestartet oder haben sie durch Auszeiten Gehaltsrunden verpasst? Wie ist ihr Anteil in Führungspositionen?

Kultur spiele immer eine Rolle bei der Bezahlung, weiß Henrike von Platen. Deshalb ist für sie ungleiche Bezahlung nicht per se unfair. "Fair ist die Bezahlung, wenn sie transparent ist und jeder die Regeln versteht." Schulz von Hkp geht noch weiter: "Wer sein Gender-Pay-Gap transparent erklären kann und aufzeigt, wie es reduziert werden soll, bekommt auch weniger Druck durch Mitarbeitende und Investoren."



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