Neue Arbeitsmodelle : Job-Sharing mit mir sel...
Neue Arbeitsmodelle

Job-Sharing mit mir selbst

Morefire
Hanna Sturm: Möchte als Marketing-Expertin mehr Digital-Knowhow gewinnen.
Hanna Sturm: Möchte als Marketing-Expertin mehr Digital-Knowhow gewinnen.
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Neue Arbeitsmodelle
Job-Sharing mit mir selbst
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Vier Tage pro Woche arbeitet die Marketingexpertin Hanna Sturm für Knack & Back. Der Dienstag gehört der Digitalagentur Morefire. So hat sie es verhandelt, um im Online-Bereich dazuzulernen. Das Modell könnte Schule machen: Es bereichert den Arbeitsalltag, bindet Mitarbeiter und kann alle Beteiligten beflügeln.

Das Buch "Design your life- Dein persönlicher Workshop für Leben und Traumjob" hat Hanna Sturm inspiriert: "Ich will kein Marketing-Dinosaurier werden", dachte sie schon in ihrem letzten Job. "Im Online Marketing passiert so viel, meine letzten Arbeitgeber waren da nicht gerade Vorreiter und Weiterbildungen in dem Bereich wurden nicht übernommen." Also besuchte sie privat Fortbildungen bei OMR (Online Marketing Rockstars), Squared Online, IHK, Google und bezahlte sie auch selbst. "Ich war trotzdem unzufrieden, weil mein neues Wissen nicht zur Anwendung kam." Sie ging auf Jobsuche.



Über ihre Weiterbildungen hatte die Vierzigjährige Robin Heintze, Chef der Kölner Online-Marketing-Agentur Morefire kennengelernt und fragte ihn, ob er sie als "älteste Praktikantin der Welt" für zwei Monate einstellen würde. Obwohl die erfahrene Marketingmanagerin dort erst mal Aufgaben für Anfänger übernahm, "fand ich die Einblicke großartig. SEO, SEA, UX – damit hatte ich vorher genauso wenig Berührung wie mit den Co-Working-Tools Slack und Asana." Auch die Kultur begeisterte sie. "Ich hatte selbst schon Teams geführt, aber hier verteilte man Führung auf zwei Schultern: die des Fachleiters und des Teamleiters, der nach der persönlichen Entwicklung der Teammitglieder schaut." Das Agenturleben gefiel ihr so sehr, dass sie bleiben wollte. "Ich hatte allerdings nicht die Ausbildung dafür, hätte quasi als Trainee anfangen müssen."

Zur gleichen Zeit begann sie Gespräche mit Cérélia. Das französische Unternehmen hat im April `22 die Marke Knack & Back von General Mills gekauft und suchte jemanden, der das deutsche Marketing aufbaute. "Was ich nicht wollte, war, wieder das Digitale aufzugeben." Also verhandelte Hanna Sturm, nur vier Tage für Cérélia zu arbeiten, damit ihr ein Tag für die Agentur blieb. Morefire hatte Hanna Sturm inzwischen angeboten, als internes Projekt den Auftritt der Agentur zu verbessern.
„Jeder, der zehn Jahre das gleiche macht, kommt an einen Punkt, an dem er neue Inspiration sucht“
Hanna Sturm, Cérélia


Mitte Mai war man sich einig: Hanna Sturm unterschrieb bei Knack & Back. Im Hauptjob modernisiert sie jetzt die Traditionsmarke, hat zum Beispiel die erste Influencerkampagne gestartet und profitiert dabei von Tipps der Agenturkollegen. "Sie haben mir beispielsweise dringend dazu geraten, die alte Knack & Back-Webseite nicht zu löschen, sondern sie umzuziehen zur Wahrung der Sichtbarkeit im Netz.

Mit solchem Know-how kann ich mein Unternehmen jetzt besser beraten." In der Agentur kann sie mit einer 20 Prozent-Stelle keine externen Kunden betreuen, aber kontinuierlich am Markenkern von Morefire arbeiten. "Als Brandingexpertin sorge ich für Dinge wie einheitliches Auftreten in allen Kanälen." Sturm ist extrem dankbar, dass ihre Chefs ihr den Doppel-Job in einem ganz normalen Angestelltenverhältnis ermöglichen. "Beide erkennen den Nutzen."
Glücklich im Job
Mehrere Faktoren bestimmen, wie zufrieden wir beruflich sind und wo wir ansetzen können, wenn nicht.
•Herausforderung: mehr oder neue Aufgaben, Fortbildung
•Erfolg: mehr Ressourcen, mehr Freiheiten aushandeln
•Unterstützendes Arbeitsumfeld: Feedback einfordern, Zusammenhalt fördern, Teamrotation
•Rahmenbedingungen (Gehalt, sicherer Arbeitsplatz, Arbeitszeit und -ort): Verbündete suchen, verhandeln


Aus dem Bekanntenkreis kenne sie es so, dass sich selbstständig machen muss, wer "auf mehreren Hochzeiten tanzen will", also diverse Kunden und Projekte betreuen möchte. Die Folge: Das Unternehmen verliert oft besonders ambitionierte Mitarbeiter. Dies wäre aus ihrer Sicht vermeidbar, wenn man Dinge zulässt, die den Job anreichern.

Ein weiteres Problem adressiert Sturm an Personalentwickler: "Lernen und Einblicke in viele Bereiche wird eigentlich nur jungen Leuten wie Trainees zugestanden. Danach wird es deutlich schwieriger." Dabei komme doch jeder, der zehn Jahre das gleiche macht, an einen Punkt, an dem er neue Inspiration sucht. "Irgendwann wurde ich ungeduldig, und habe mich gefragt, ob ich jetzt noch 20 Jahre so weiter mache oder eine Veränderung anstrebe." Sie habe sogar ein Zweitstudium nach ihrem BWL-Abschluss erwogen. Doch auch dort hätten junge Erststudierende Priorität. "Ich glaube, dass Menschen permanent lernfähig und lernwillig sind. Insofern wäre es schön, wenn man gewohnte Rollen aufbrechen könnte in die der Expertin für ein bestimmtes Thema und derjenigen, die sich etwas Neues aneignet."

An ihr Arbeitsmodell muss sich das Umfeld ein bisschen anpassen, weiß sie. "Dienstags habe ich keine Zeit für Cérélia, denn da bin ich in der Agentur." Herausfordernd sei es, in beiden Jobs auf dem Laufenden zu bleiben. Trotzdem ist sie glücklicher als vorher: "Wir hatten eine Probezeit für das Job-Sharing ausgehandelt. Jetzt geht es in die Verlängerung."



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