Im Lebensmittelhandel herrscht seit Wochen Ausnahmezustand. Die CEOs führender Händler berichten gegenüber der LZ, wie sie den Geschäftsbetrieb sicherstellen. Alle betonen, dass es derzeit keine Versorgungsengpässe gibt.
Der Nachschub funktioniert, obwohl die Kunden erheblich mehr kaufen. Leere Regale gibt es zeitweise dennoch. Doch zumindest in der Großfläche gibt es meist Alternativen aus der gleichen Warengruppe. Von den Behörden wünschen sich die Top-Manager des Handels vor allem einheitliche Regeln und praktikable Lösungen.
Sie kämpfen zum Teil mit regional sehr unterschiedlichen Vorgaben, die das Geschäft zusätzlich erschweren. Wer im Ausland aktiv ist, kann auch von Erfahrungen profitieren. Denn dort war der Handel häufig schon früher gezwungen, sich an die neue Situation anzupassen. Das hilft auch im Heimatmarkt etwas, um sich auf die veränderten Bedingungen einzustellen.
Kunden machen sich Sorgen, ob Händler in der Lage sind, die Versorgung sicherzustellen. Bisher hat die Lieferkette funktioniert. Welche Belastungen erwarten Sie für die kommenden Wochen auch mit Blick auf Ostern?
Stefan Kopp, Sprecher des Verwaltungsrats von Aldi Süd: Obwohl wir in einzelnen Filialen aktuell eine höhere Nachfrage nach länger haltbaren Produkten wie beispielsweise Konserven sehen, ist die Versorgungslage in unserem Verkaufsgebiet hinsichtlich unserer Produkte und der Logistik nach wie vor gesichert. Alle Mitarbeiter von Aldi Süd in den Logistikzentren und den Filialen arbeiten auf Hochtouren, um die Regale regelmäßig und so schnell wie möglich wieder aufzufüllen.
Sollte es dennoch zu vorübergehenden Engpässen kommen, bitten wir bei unseren Kundinnen und Kunden hierfür um Verständnis. Darüber hinaus sensibilisieren wir unsere Kundschaft während des Einkaufs für gegenseitige Rücksichtnahme und Solidarität untereinander. Es soll nur das gelagert werden, was auch normalerweise im Alltag genutzt und verbraucht wird. Für "Hamsterkäufe" gibt es keinen Anlass.
Christoph Werner, Vorsitzender der dm-Geschäftsführung: Derzeit ist noch nicht wirklich abzuschätzen, wie das Kundenverhalten sich verändern wird. Die Auswirkungen auf die Lieferkette sind daher derzeit schwierig zu prognostizieren. Solange die Krankenstände in den Herstellungsbetrieben, im Transportwesen und im Handel nicht die Zusammenarbeit wesentlich erschweren, wird es bei der Versorgung mit unserem Sortiment nicht zu Engpässen kommen.
Johannes Scupin, Sprecher der Geschäftsführung bei Globus SB-Warenhaus: Unsere Warenversorgung und die Belieferung unserer Märkte ist sichergestellt, da sehen wir keine Probleme. Unsere Lieferkette ist derzeit intakt und stabil, aufgrund der aktuellen Nachfrage haben wir unsere Lieferfrequenz sogar erhöht und sehen auch in absehbarer Zeit keine Versorgungsengpässe. Zwar kann es kurzfristig bei stark nachgefragten Produkten zu Lücken in den Regalen kommen, wir arbeiten jedoch mit Hochdruck daran, diese wieder aufzufüllen. Aktuell ist unser Mitarbeiterbedarf entsprechend gedeckt und wir können der erhöhten Nachfrage gerecht werden. Sollte es zu personalen Ausfällen kommen, sehen wir eine große Möglichkeit kurzfristig unseren Personalbedarf aus dem Markt zu decken.
Nicolás de Lope, Sprecher der Verwaltungsratsbevollmächtigten Aldi Nord Deutschland: Als Lebensmitteleinzelhändler erfüllen wir insbesondere in der aktuellen Situation einen wichtigen Versorgungsauftrag für die Bevölkerung – diesen Auftrag nehmen wir sehr ernst. Wir als Lebensmittelhändler haben einen großen Anteil daran, dass die Situation beherrschbar bleibt. Und setzen alles daran, dass wir auch in Krisenzeiten unserer Verantwortung als verlässlicher Nahversorger nachkommen.
Die Versorgungssicherheit unserer Märkte und damit auch unserer Kunden ist insgesamt gewährleistet. Damit das so bleibt, haben wir die Lieferfrequenz und die Liefermenge den Umständen angepasst und stehen täglich im engen Austausch mit unseren Lieferanten und Logistikpartnern. Insbesondere für das anstehende Osterfest setzen wir alles daran, unseren Kunden trotz der derzeitigen Situation eine besondere Vielfalt und Qualität zum gewohnt günstigen Aldi-Preis anzubieten.
Gerd Köber, Vorstand von Norma: Die Sorgen der Kunden, einzelne Artikel nicht zu bekommen wird auch in der nächsten Zeit noch weiter anhalten. Allerdings stehen bei uns ca. 95 Prozent des Sortimentes aktuell zur Verfügung. Daher sehen wir insgesamt, dass die Versorgung und Lieferfolge funktioniet - auch gerade vor Ostern. An dieser Stelle ist unseren Mitarbeitern im Verkauf, in der Logistik und in der Verwaltung wirklich ein großes Kompliment zu machen, dass wir diese turbulenten Zeiten bisher so gut überstanden haben.
Kaufland-Sprecher: Aufgrund der sehr starken Nachfrage haben wir vereinzelt Regallücken bei Grundnahrungsmitteln wie Nudeln, Mehl und Konserven sowie Hygieneprodukte. Durch unsere große Sortimentsbreite und -tiefe stehen den Kunden aber immer Alternativen zur Verfügung. Die komplette Warenverfügbarkeit über alle Produkte können wir in dem bisher gewohnten Maße derzeit nicht anbieten, aber die Versorgung ist sichergestellt. Da die Lage sehr dynamisch ist, bitten wir Sie um Verständnis, dass wir heute noch nicht einschätzen können, wie das diesjährige Ostergeschäft verlaufen wird.
Was kann die Politik im Moment tun, um dem Handel die Arbeit zu erleichtern?
Johannes Scupin (Globus SB-Warenhaus): Hilfreich wäre eine Bundesland übergreifende Regelung, die keinen Interpretationsspielraum zulässt und klare Orientierung bietet. Wir haben in den vergangenen Tagen vermehrt feststellen müssen, dass die wechselnden Vorgaben der Ämter eher zu Missverständnissen und Irritationen führen und die kommunizierten Themen der verschiedenen Behörden unterschiedlich wahrgenommen werden. Die Interpretation dessen ist eine Herausforderung und wird von Betrieben, Händlern und unseren Kunden unterschiedlich ausgelegt. Dieses Vorgehen erschwert die Zusammenarbeit mit den Behörden und unseren Lieferanten.
Christoph Werner (dm): Wichtig ist die Sicherstellung des freien Warenverkehrs und die direkte Kommunikation mit den derzeit noch geöffneten Händlern und dem Handelsverband. Denn nur durch direkte Zusammenarbeit lässt sich sicherstellen, dass die in den Verordnungen geforderten Rahmenbedingungen zum Schutz der Menschen verlässlich und ohne großes Durcheinander umgesetzt werden können. Da es derzeit auf hohe Umsetzungsgeschwindigkeit ankommt, müssen bundesweit einheitliche Vorgaben gelten.
Gerd Köber (Norma): Anlieferristriktionen sollten die nächsten vier bis sechs Wochen komplett aufgehoben und die internationale Logistik erleichtert werden. Wünschenswert wäre, dass sich die Politik nicht in das originäre Handelsgeschäft mit nicht realisierbaren Vorschlägen einmischt, wie beim Thema Sonntagsöffnungszeiten zu sehen war. Das wir dem ein oder anderen sicherlich schwerfallen. Man sollte auch darüber nachdenken, eine steuerfreie Corona-Prämie zu ermöglichen, da doch viele Mitarbeiter im Verkauf in Lohnsteuerklasse 5 arbeiten und diese von Sonderzahlungen relativ wenig haben.
Kaufland-Sprecher: Als bundesweit tätiges Unternehmen benötigen wir bundesweit einheitliche Regelungen, um die Vorgaben zur Bekämpfung der Corona-Pandemie bestmöglich umzusetzen. Derzeit existieren unterschiedliche gesetzliche Vorgaben in den Bundesländern sowie unterschiedliche Umsetzungen in den Städten und Landkreisen, insbesondere bei Zugangsregelungen und Hygienebestimmungen. Diese unterschiedlichen Regelungen sind kaum überschaubar und erschweren einfache und praktikable Lösungen. Wir brauchen pragmatische Anforderungen von den Behörden, idealerweise als Ergebnis einer konstruktiven Zusammenarbeit aller Beteiligten, um die Versorgung der Bevölkerung auch weiterhin aufrechtzuerhalten.
Nicolás de Lope (Aldi Nord): Der Handel unterstützt alle Bemühungen, die Zahl der Corona-Neuinfektionen zu verlangsamen. Wir stimmen uns eng mit der Politik ab und sind dankbar für jedwede Unterstützung. Wir brauchen jetzt vor allem eines: möglichst bundeseinheitliche Regelungen. Was uns momentan am schwersten zu schaffen macht, sind die vielen unterschiedlichen kommunalen und länderspezifischen Initiativen und Regulierungen. Beispiel Kinderbetreuung für LEH-Mitarbeiter. Hier erleben wir sehr unterschiedliche Vorgehensweisen der Behörden in unserem Vertriebsgebiet.
Gibt es Erfahrungen im Umgang mit der Krise aus dem Ausland, die Ihnen in Deutschland helfen? Oder gibt es Erfahrungswerte aus dem Heimatmarkt, die den Kollegen im Ausland helfen können?
Nicolás de Lope (Aldi Nord): Die Auswirkungen durch das Coronavirus betreffen die Unternehmensgruppe Aldi Nord inzwischen in allen Ländern, in denen sie tätig ist. Die Länderorganisationen stehen über die internationalen Funktionsbereiche in engem Austausch. Viele Maßnahmen in der aktuellen Situation werden gruppenweit erarbeitet und je nach Situation in den einzelnen Ländern umgesetzt. Von diesem internationalen Austausch profitieren wir alle innerhalb der Unternehmensgruppe Aldi Nord.
Christoph Werner (dm): Durch den zeitlichen Versatz zwischen den Ländern bei der Inkraftsetzung von restriktiven Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie können wir uns in begrenztem Maße eine Vorstellung bilden, was auf uns in Deutschland zukommt. Dies ermöglicht es Szenarien zu bilden und damit nicht ganz kalt erwischt zu werden.
Gerd Köber (Norma): Die Erfahrung aus dem Ausland, Frankreich oder Österreich zeigt, dass sich mit den Ausgangsbeschränkungen die Nachfrage auf ein normales Maß nivelliert hat und vernünftige Arbeitsabläufe für die Logistik sich wieder einpendeln werden.
Kaufland-Sprecher: Wir beobachten die internationale Lage sehr genau und sind im intensiven Austausch mit unseren Kollegen in den Ländern. Da die Lage sehr dynamisch ist setzen wir alles daran, mit Weitsicht und Flexibilität zu reagieren und täglich neu zu entscheiden. Dafür ist der Erfahrungsaustausch unter den Länder-Kollegen wichtig und sehr hilfreich.
Handel und Industrie kämpfen Jahr für Jahr mit harten Bandagen um Konditionen. Wie funktioniert das Zusammenspiel in Zeiten der Krise?
Christoph Werner (dm): Jeder tut derzeit sein Möglichstes, um die derzeitige Ausnahmesituation und die damit verbundenen Herausforderungen zu meistern. Dafür stehen wir im engen Kontakt zu unseren Herstellern und Lieferanten.
Kaufland-Sprecher: Von der Corona-Pandemie sind alle gleichermaßen betroffen. Derzeit geht es um die Sicherstellung der Warenversorgung. Wir tun gemeinsam mit unseren Lieferanten alles dafür, diese zu gewährleisten.
Johannes Scupin (Globus SB-Warenhaus): Das Zusammenspiel funktioniert durch ein gemeinschaftliches, konstruktives, partnerschaftliches Miteinander im Sinne der Situation, Menschen und unserer Kunden.
Nicolás de Lope (Aldi Nord): Die aktuelle Situation kann man nicht allein bewältigen. Als Gesellschaft müssen wir jetzt alle an einem Strang ziehen. Wir stehen daher mit allen Akteuren des Handels und der gesamten Lieferkette in engem Austausch und bauen auf eine gute Zusammenarbeit und pragmatische Lösungen in diesen Zeiten.
Gerd Köber (Norma): Als ein kleinerer Marktteilnehmer setzen wir uns schon immer mit unseren Partnern aus der Industrie zusammen, um entsprechende Lösungen zu finden. Dies funktioniert bisher auch in Zeiten der Krise sehr gut.
Stefan Kopp (Aldi Süd): Als verantwortungsvoll handelndes und familienorientiertes Unternehmen ist es für uns wichtig, auf allen unseren Kanälen zu Solidarität, Rücksichtnahme und Gemeinschaftssinn aufzurufen. Diese Botschaften haben für uns aktuell oberste Priorität gegenüber der Bewerbung unserer Produkte. Gleiches gilt in diesen besonderen Zeiten auch für die Kooperation mit Industriepartnern. Wir setzen deshalb mehr denn je auf eine faire Zusammenarbeit.
Kaufland-Sprecher: Die Hauptlast liegt derzeit ganz klar bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in den Filialen, der Logistik und den Fleischwerken. Sie sind unermüdlich im Einsatz und erbringen eine enorme Leistung. Wir tun alles dafür, um unsere Kollegen auf der Fläche bestmöglich zu unterstützen und zu schützen. An den Kassen haben wir Spuckschutze angebracht und bitten unsere Kunden, bargeldlos zu bezahlen. Zudem weisen wir unsere Kunden darauf hin, während ihres Einkaufs zwei Meter Abstand zu anderen Kunden sowie unseren Mitarbeitern einzuhalten. Zur Unterstützung unserer Mitarbeiter sind bereits viele unserer Zentralmitarbeiter in unseren Filialen und Verteilzentren tätig. Zeitgleich suchen wir Aushilfskräfte und prüfen Kooperationen mit anderen Unternehmen, um unsere Mitarbeiter zu entlasten.
Christian Harms, dm-Geschäftsführer Ressort Mitarbeiter: Die dm-Teams unterstützen sich nach Kräften untereinander. Neueinstellungen sind eine weitere Option, um unsere Kunden zu versorgen. Zudem stehen wir im Austausch mit Unternehmen, die ihre Verkaufsstellen aufgrund behördlicher Auflagen schließen müssen und mit denen wir gemeinsam die vor uns allen liegenden Herausforderungen stemmen möchten.
Stefan Kopp (Aldi-Süd): Alle Mitarbeiter arbeiten derzeit auf Hochtouren, sowohl in den Filialen, als auch in der Logistik und in den Verwaltungen. In diesen herausfordernden Zeiten leisten die Kollegen und Kolleginnen Außerordentliches. Wir achten entsprechend sehr darauf, dass sie ihre Ruhephasen einhalten können, um Kräfte zu sammeln, sich zu erholen und Zeit mit ihren Partnern und Familien zu verbringen. Deshalb planen Aldi Nord und Aldi Süd derzeit weder eine Verlängerung der Öffnungszeiten noch einen Sonntagsverkauf.