Die zweite Woche im Zeichen von Ladenschließungen erhöht die Nervosität im Einzelhandel. Die Nonfood-Branche ringt um Soforthilfen. Edeka-Chef Markus Mosa sieht die Wirtschaft erst am Anfang der Krise.
Nach einigen Wochen mit einem Corona-bedingten Nachfrage- und Umsatzschub kehrt bei Handelsmanagern realistische Skepsis ein. Statt sich nur über den zwar auch teuer erkauften Zuwachs zu freuen, richtet Edeka-Vorstandschef Markus Mosa seinen Blick schon auf die Folgen: "Wir stehen erst am Anfang der Krise", erklärt Mosa gegenüber der LZ.
Der ökonomische Abschwung, der beispielsweise die Automobilbranche und den Nonfood-Handel bereits erfasst habe, werde auch am Lebensmitteleinzelhandel nicht spurlos vorbeigehen. Mosa rechnet damit, "dass die Verbraucher in Deutschland in den kommenden Wochen und Monaten auch beim Einkaufen von Lebensmitteln wieder preissensibler werden".
Ihm wie seinen Wettbewerbern dürfte klar sein, dass der aktuelle Boom nicht anhält. Rund 4 bis 6 Prozent der heutigen Zuwächse seien der Schließung der Gastronomie geschuldet, rechnen Branchenkenner vor. Und das Bevorraten wird auch bald beendet sein. Dann könnten Lohneinbußen durch Kurzarbeit und große Vorräte die künftige Nachfrage begrenzen.
Die Lage im restlichen Handel spitzt sich derweil zu. Während sich bei Lebensmittelhändlern und Drogerien erste Entspannung zeigt, warnt der HDE vor dramatischen Entwicklungen in den von Zwangsschließungen betroffenen Nonfood-Segmenten. Hilfen müssen jetzt ganz schnell erfolgen, "hier zählt jeder Tag", sagt HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth mit Blick auf die 300 000 Unternehmen des Einzelhandels mit fast drei Millionen Beschäftigten.
Die Nachfrage nach "Hamsterware" bleibe weiter hoch, berichten Lebensmittelhändler der LZ, aber die Lage sei deutlich entspannter als noch in der Vorwoche. Die Nachlieferung funktioniere immer besser.
Obwohl die Industrie derzeit 50 bis 80 Prozent höhere Anforderungen aus dem Handel bedient, gebe es dort kaum Personalprobleme. "Wir gehen davon aus, dass sich die Situation in drei bis vier Wochen normalisiert", hofft BVE-Präsident Wolfgang Ingold. Allerdings unter dem Vorbehalt, "dass es nicht zu einer größeren Erkrankungswelle in Betrieben kommt".
Dass die Ernährungsindustrie als kritische Infrastruktur gesehen wird, hat den Unternehmen in der Produktion geholfen, sagt auch Eckes-Granini-Chef Thomas Hinderer. Mit Blick auf den Außendienst könnte perspektivisch Kurzarbeit ein Thema werden. Das fehlende Gastro-Geschäft sei eine Herausforderung für die Getränkebranche.
Wie das "neue Normal" in der Zeit nach der Corona-Krise aussehen wird, fragt nicht nur Unilever-Deutschland-Chef Peter Dekkers. Eine Studie der Boston Consulting Group modelliert eine V-Kurve mit einer nur temporären Delle, eine U-Kurve mit weiterem Wachstum, nur auf niedrigerem Niveau oder die L-Variante – weniger und langsamer.