Die selbstständigen Kaufleute halten in der Corona-Krise die Stellung. Sie verstärken den Gesundheitsschutz und werben Mitarbeiter aus anderen Branchen ab. Die LZ hat sich in den Märkten umgesehen.
"Wir tun alles, um Mitarbeiter und Kunden zu schützen", betont Aschoff und spricht damit aus, was Kaufleute in diesen Tagen zur Priorität erklärt haben. Überall werden Plexiglasscheiben und Trennwände eingezogen, Markierungen aufgeklebt, Zugangszahlen beschränkt - und das meistens schon vor Anweisungen von Kommunen und Ländern.
Andere Kaufleute verkürzen indessen die Öffnungszeiten. Ihre Begründung: Die Mitarbeiter seien nach zwei Wochen wie im Weihnachtsgeschäft völlig ausgelaugt. "Wir müssen den Kollegen Erholungspausen gönnen und den Stress rausnehmen", sagt der Potsdamer Rewe-Händler Siegfried Grube. Er sperrt seinen Markt nur noch von 8 bis 20 Uhr auf – statt von 7 bis 22 Uhr. Manche Kaufleute öffnen auch deshalb kürzer, weil sie den Betrieb auf zwei Schichten umstellen, die unabhängig voneinander arbeiten. "Sollte sich jemand in der einen Schicht infizieren, bleibt die andere, um den Betrieb aufrechtzuerhalten", begründet Edeka-Kaufmann Marcus Ehrlich aus Isernhagen bei Hannover.
Andere wie der Rewe-Selbstständige Dieter Schneider aus dem badischen Denzlingen registrieren hohe Krankenstände von 30 bis 35 Prozent. "Die Stimmung bei den Mitarbeitern ist angespannt", berichtet er. "Die Ansteckungsgefahr ist ein permanentes Thema." Mitarbeiter mit starkem Husten schickt Schneider vorsorglich nach Hause. "Außerdem müssen viele Eltern daheim auf ihre Kinder aufpassen, weil Kindergärten und Schulen geschlossen sind."
Schneider macht allerdings aus der Not eine Tugend. Er hat einen Aufruf im Internet verbreitet und kann sich vor Rückmeldungen kaum retten. "Wir bekommen täglich 60 bis 70 Bewerbungen", sagt er. Bislang hat er in seinen elf Märkten 15 zusätzliche Kräfte eingestellt, dazu 30 Geringverdiener. Hinzu kommen rund 100 Geringverdiener für seine Dienstleistungsfirma, die in seinen und anderen Märkten Regale einräumt. Schneider freut sich, dass sich auch Fachkräfte aus anderen Branchen wie Hotellerie und Gastronomie melden: "Die Krise ist für uns auch eine Chance, an qualifizierte Mitarbeiter zu kommen."
Für die Verbindung zu Fridays for Future bekam Hieber Kritik, doch für sein Eintreten gegen Corona-Partys noch mehr Lob. "Die Reaktionen waren zu 80 Prozent super. Das hat Runden gedreht ohne Ende." Dabei habe er nur Jugendliche davon abhalten wollen, einander zu infizieren – und später womöglich ältere, gefährdete Verwandte und Bekannte.
Ähnlich kritisch geht Rewe-Kaufmann Michael Glück das Thema Hamsterkäufe an. Er verlangt ab der zweiten Packung Toilettenpapier eine Spende von fünf Euro an Corona-Helfer in seinem Landkreis, ab der dritten Packung zehn Euro. "Die Nachricht auf Facebook bekam rund 7 Millionen Kontakte und wurde mehr als 80 000 mal geteilt", freut sich Glück. "Das war schon großes Kino."
Gehamstert wird zwar immer noch – aber immer weniger, weil die Kunden mittlerweile eingedeckt sind. Das berichten Kaufleute einhellig. "Das ist mehr oder minder vorbei", sagt Hieber. Kundenzahlen und Umsätze seien gegenüber den vergangenen zwei Wochen wieder zurückgegangen. "So langsam tritt eine Normalisierung im Ausnahmezustand ein", bestätigt Edeka-Kaufmann Aschoff.
Mancher sorgt sich da schon um die Zukunft. "Wenn die Leute in Kurzarbeit sind und weniger Einkommen zur Verfügung haben, sparen sie künftig vielleicht am Essen und Trinken", mutmaßt Hieber. Rewe-Kaufmann Schneider ist noch pessimistischer: "Ich erwarte durch Corona einen deutlichen wirtschaftlichen Abschwung, dessen Folgen wir spüren werden."