Im LZ-Sommergespräch spricht Alnatura-Gründer Götz Rehn über Umverteilungsprozesse und Preisgefechte im Bio-Segment, neue und alte Partner sowie zu überwindende ideologische Gräben.
Herr Rehn, der LEH und die Drogerien drängen verstärkt ins Bio-Geschäft und wachsen seit dem Vorjahr deutlich stärker als der Naturkost-Fachhandel. Hat Sie diese Trendwende überrascht?
Mich hat vor allem überrascht, dass diese Entwicklung erst so spät gekommen ist.
Wieso?
Bio-Kunden gelten als sehr treu. Deswegen hat es recht lange gedauert, bis sie nun auch verstärkt im LEH und in den Drogerien Bioprodukte einkaufen. Damit verschieben sich Umsatzanteile im Bio-Geschäft.
Hat der konventionelle Handel im Bio-Geschäft dazu gelernt?
Der Lebensmitteleinzelhandel und die Drogerien haben ihr Bio-Geschäft wesentlich verbessert und ausgeweitet. In der Frische sind viele Bio-Produkte neu dazugekommen. Und die Qualität der Bio-Eigenmarken hat sich verbessert. Kunden finden heute somit auch im konventionellen Einzelhandel in ihrer Nähe die wesentlichen Bio-Produkte und müssen nicht mehr unbedingt in den Fachhandel gehen. Die Zahl der Gelegenheitskäufer, die Bio im LEH und den Drogerien entdecken, steigt.
Auch der Streit mit dm, Ihrem bislang größten Partner, hat den Umverteilungsprozess in der Branche forciert. Während dm seine Eigenmarke ausbaute und Alnatura auslistete, haben Sie sich in einem Kraftakt 2015 und 2016 neue Partner wie Edeka, Müller und Rossmann gesucht...
Das war unabdingbar für unsere weitere Entwicklung. Die Marke Alnatura ist nun in deutlich mehr Märkten verschiedener Handelsunternehmen verfügbar. Und damit hat sich letztlich auch das Profil von Biolebensmitteln im LEH verbessert. Unsere neuen Partner, allen voran Edeka, ziehen mit der Marke Alnatura neue Kunden an und können ihre Bio-Umsätze weiter ausbauen.
Insbesondere dm ist in der Kategorie vorgeprescht. Einkaufschef Christoph Werner geht davon aus, dass Bio-Preise in der Zukunft eher sinken werden. Bei Reiswaffeln und Spaghetti hat dm hier bereits Akzente gesetzt. Bahnen sich mehr Preisgefechte bei Bio an?
Das wollen wir nicht hoffen. Es geht nicht darum, Bioprodukte zu billig zu machen, sondern darum Bio weiter zu entwickeln. Und dafür braucht man auskömmliche Margen. Wichtig für den gesamten Handel sind faire Preise und eine sinnvolle Preisgestaltung. Alnatura versucht, in den eigenen Filialen durch gezielte Sparpreise neue und auch preisbewusste Kunden zu gewinnen. Doch führen Preisgefechte nicht zu deutlichen Mengensteigerungen. Die Hauptfrage ist eher, wie gewinnen wir neue Kunden für Bio.
Sind die fetten Jahre im Fachhandel denn vorbei?
Das hängt ganz davon ab, was der Fachhandel in Zukunft unternimmt, um sein Geschäft weiterzuentwickeln. Wir haben in Deutschland mit immerhin 2500 Bioläden einen ausgeprägten Naturkost-Fachhandel, der Bio vor Jahrzehnten den Weg bereitet hat. Doch jetzt bedarf es einer stärkeren Profilierung, mehr Authentizität und des richtigen Kernsortiments. Vor allem kleine Bio-Geschäfte müssen sich noch mehr differenzieren, sonst werden auch ihre Stammkunden im LEH einkaufen. Der Bio-Fachhandel muss sich auch verändern, wenn er weiterhin erfolgreich sein will.
Muss der Fachhandel emotionaler werden, um sich zu differenzieren?
Ja, es geht darum, den Kunden noch stärker zu verwöhnen und ein Erlebnis für alle Sinne zu schaffen – ihn über Rezepte und Beratung zum Probieren und Kochen anzuregen. Es ist für die Bio-Qualität in Deutschland ganz wesentlich, dass es Bio-Läden gibt und dass sie durch exzellente Sortimente die Speerspitze der Bio-Entwicklung sind. Doch vor allem muss unsere Branche deutlich machen, wofür Bio steht und welche Bedeutung es für eine gesunde Umwelt hat. Das Thema ist – losgelöst von allen Genussaspekten – ein wesentlicher Schlüssel, um die Nachhaltigkeitsziele der Bundesregierung aus der Agenda 2030 zu erreichen. Da würde ich mir schon wünschen, dass alle, die Bio anbieten, ob Discounter, Vollsortimenter oder Fachhandel, dieses wichtige Thema besser vermitteln.
Na da müssten allerdings beide Seiten für eine ideelle Zusammenarbeit noch einige ideologische Gräben überwinden...
Klar, aber wir brauchen eine gesellschaftspolitische Lösung. Es ist wichtig, dass der Handel sich gemeinsam höhere Ziele für Bio setzt – von den Drogeriemärkten, dem LEH bis zum Fachhandel. Ich finde alles sinnvoll, was den Bio-Umsatzanteil insgesamt nach vorne bringt. Dann würden nämlich alle ganz erhebliche Zuwachsraten erzielen. Bio steht erst am Anfang.
Was bedeutet das für die Entwicklung Ihrer eigenen Filialen?
Wir arbeiten an vielen Themen, um unsere Alnatura-Märkte mit eigenen Innovationen und Ideen einen Schritt voranzubringen. Alnatura entwickelt derzeit die Produktqualität, das Geschmackserlebnis und das Thema Regionalität weiter. Vor allem den Frischebereich – Obst und Gemüse und auch Mopro – überarbeiten wir und haben eine ganze Reihe neuer Alnatura-Produkte und Innovationen wie verschiedene Mandel-Milchgetränke eingeführt. Zudem bauen wir insbesondere in Innenstadtlagen die 2016 eingeführten Café-Bars in unseren Märkten aus. Bis zum September sollen es 30 sein.
Wenn sich die Bio-Umsätze mehr in den konventionellen Handel verschieben, werden Sie dennoch Ihr hohes Expansionstempo auf Dauer beibehalten?
Es besteht kein Anlass, das nicht zu tun. Wir sehen noch viel Potenzial, um weitere Märkte zu eröffnen. In diesem Geschäftsjahr kommen 19 neue Alnatura-Filialen dazu. Vor allem in Süddeutschland, in Bayern und Baden-Württemberg, besteht eine große Affinität zu Bio. Es bleibt allerdings weiter schwierig, passende Ladenlokale in geeigneten Lagen zu finden. Insgesamt haben wir aber 2018 noch viel vor.