Tabak-Kontroll-Rechtsakte: Bedrohung für einh...
Tabak-Kontroll-Rechtsakte

Bedrohung für einheitliche Logistik

Thomas Fedra
Sortiment mit unklarer Zukunft: Zigaretten und Tabak in einem Tegut-Supermarkt.
Sortiment mit unklarer Zukunft: Zigaretten und Tabak in einem Tegut-Supermarkt.
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Handelsmanager sehen aktuell ein hohes Risiko, dass die kommenden Regeln der EU für die Rückverfolgung von Zigaretten die heutigen Lieferketten des Handels für dieses Sortiment zerstören. Eine Consultant-Empfehlung und der Zeitplan der EU-Kommission lassen Schlimmes befürchten.

Ein Datum alarmiert Manager aus Handel und Tabakindustrie: Aus Kreisen der EU-Kommission haben sie erfahren, dass Brüssel bereits am 5. September die Rechtsakte veröffentlichen will, die ab Mai 2019 die Lieferketten für Zigaretten und Tabak regulieren – und womöglich auf den Kopf stellen.

Ziel der Logistik-Regulierung im Rahmen der Tabakprodukte-Richtlinie von 2014 ist ein Überwachungssystem, das illegale Tabakimporte und Steuerhinterziehung verhindert. Der für die Erarbeitung des komplexen Logistik- und Kontrollsystems sehr kurze Zeitraum bis Anfang September ist ein Indiz, dass die Kommission auf ein bereits im Vorfeld erarbeitetes Modell zurückgreift. Und das wäre dann vermutlich das Logistik-System, das die Consulting-Firma Everis der EU in einer "Implementierungs-Studie" vorschlägt.

Falls das Everis-Modell geltendes Recht wird, zerschlägt es die heutigen Lieferketten für Zigaretten und zwingt den LEH, Tabakwaren in einem Parallel-System zu seiner etablierten Logistik in die Filialen zu schaffen. Eine schnelle Reaktion auf Abverkaufsprognosen oder bereits eingetretene Regallücken wäre verboten, der Transport von Zigaretten in den Liefer-Lkw für andere Sortimente vermutlich sinnlos. Auch der mehrstufige Handel über Großhändler könnte nicht mehr in der heutigen Form stattfinden, egal ob für Kioske, Tankstellen oder Supermärkte.

Horrorszenario für den Handel

Everis hat sein Modell in einem Zwischenbericht auf 350 Seiten beschrieben. Es ist ein Horrorszenario für den Handel. Die Consultants haben offenbar versucht, ein zur Vermeidung von Zigarettenschmuggel auf dem Papier perfekt aussehendes Modell zu entwickeln – ohne Rücksicht auf die etablierten Logistiksysteme zur Filialversorgung und auf die Kosten.

Neben anderen Details sprengen vor allem zwei Punkte des Everis-Modells die heutigen Lieferketten. Erstens greift das Modell nicht auf die etablierten GS1-Standards für den Datenaustausch zurück – weder auf die Artikelnummer GTIN und die EDI-Nachrichten-Typen noch auf die Barcodes und 2D-Symbole von GS1 für die Scanner in Lager und Filiale. Das erfordert vermutlich den Aufbau von Parallel-Systemen.

Zweitens verlangt das Modell, dass der Tabak-Hersteller bereits vor dem Versand der Ware die Filiale ("retail outlet") benennt, in der eine Zigarettenstange an Verbraucher verkauft werden soll. Eine Umverteilung innerhalb eines Handelsunternehmens je nach Abverkauf in einzelnen Märkten wäre damit verboten. Zusätzlich müsste der Hersteller Rechnungsdetails und Zahlungsbelege aller Handelsstufen an eine zentrale Datenbank schicken und deren Bestätigung abwarten, noch bevor er Zigaretten auf einen Lkw laden darf. Das würde Vorkasse bedeuten.

Basis der mit Spannung erwarteten Delegierten- und Durchführungs-Rechtsakte ist die Tabakprodukte-Richtlinie (2014/40/EU) von 2014. Sie ermächtigt die Kommission, die technischen Standards für das ab 2019 vorgeschriebene Rückverfolgungssystem für Tabak festzulegen.






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