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Edeka-Center im Weserpark in Bremen

Bremer Blaupause

Interstore
Sechs Stationen im E-Center Weserpark haben Fachmarktanmutung. Darunter ist die Feinkostinsel "Amore" mit italienischen Spezialitäten.
Sechs Stationen im E-Center Weserpark haben Fachmarktanmutung. Darunter ist die Feinkostinsel "Amore" mit italienischen Spezialitäten.
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Edeka-Center im Weserpark in Bremen
Bremer Blaupause
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Erlebnis, Fülle, Gastronomie: Im Einkaufszentrum Weserpark zeigt die Regionalgesellschaft Edeka Minden, wie sie sich die Zukunft der Großfläche vorstellt. Geschäftsführer Dirk Große-Wortmann spricht von einer Blaupause für ehemalige Real-Standorte.

Bildergalerie: E-Center Weserpark in Bremen




Wer heutzutage ein neues Großflächen-Konzept eröffnet, sieht sich schnell der Frage gegenüber, was das mit der Übernahme von Real-Standorten zu tun habe. Ganz offen beantwortet diese Frage Dirk Große-Wortmann, Vertriebsgeschäftsführer der größten Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover. "Das könnte durchaus eine Blaupause für ehemalige Real-Standorte sein", sagt der 45-Jährige. Zumindest für solche mit ähnlichen Rahmenbedingungen wie die umgebaute Real-Filiale im Bremer Einkaufszentrum Weserpark – also für Großflächen im städtischen Umfeld. In Berlin steht ein ähnlicher Markt vor dem Start.

12 bis 20 Standorte des insolventen SB-Warenhausbetreibers Real will Edeka Minden-Hannnover dem Vernehmen nach übernehmen. Geeignet wäre das neue Konzept laut Große-Wortmann aber auch für andere Großflächen über 4000 Quadratmeter. Zu denken wäre da zum Beispiel an Marktkauf-Häuser, die Edeka Minden betreibt – und weitere Flächen, die in den Händen selbstständiger Kaufleute liegen. "Dafür sind wir in der Regie ja da: Um zu testen, welche Dinge bei den Kaufleuten funktionieren könnten", sagt Große-Wortmann, der selbst gelernter Kaufmann ist.

Doch was genau testet der Vertriebs-Manager auf der Fläche, die in einem halben Jahr vom Real-Markt zum E-Center umgebaut wurde? Womit will er die Verbraucher überzeugen, kilometerweit zum weitläufigen Weserpark zu fahren? Die Antwort: mit Erlebnis, Atmosphäre und Gastronomie, mit Frischekompetenz, Eigenproduktion und Vielfalt.

Stichwort Erlebnis: Die gesamte erste Hälfte der 6800 Quadratmeter großen Fläche bietet ein Glanzlicht nach dem anderen, an dem der Kunden staunen, riechen und schmecken kann. An sechs Stationen sind Mitarbeiter zu sehen, die Lebensmittel zubereiten, von der Schnippelküche und Sushibar über die Bäckerei und Kaffeerösterei bis zur Pastabar und Pop-up-Gastronomie. Hinzu kommen ausgedehnte Frischetheken für Käse, Fleisch und Wurst sowie Fisch.

Von Attraktion zu Attraktion

Den Anspruch von quasi unabhängigen Fachabteilungen unterstreicht der Ladendesigner Interstore durch individuelle Gestaltung und eigene Namen: "Kääsmarkt", "Die Fleischer" oder "Die Fischwerker". Herausragend ist die Abteilung "Amor – Der Geschmack Italiens" mit einer großen Frischeinsel, Pastabar und italienischem Trockensortiment einschließlich Tiefkühlung. Italienische Mitarbeiter erklären den Kunden die Vorzüge eines San-Daniele-Schinkens und das passende Brot zur Trüffelsalami. Doch warum gerade Italien? "Italien ist nun einmal das beliebteste Land", sagt Geschäftsführer Große-Wortmann. "Jeder kennt die italienische Küche, da läuft einem das Wasser im Mund zusammen."

Wie wichtig ihm die Frische- und Erlebnisbereiche sind, zeigt der Manager auch beim Personal: Ein Drittel der 170 Mitarbeiter setzt er in Frische und Eigenproduktion ein. Allein 22 Mitarbeiter sind es an der 26 Meter langen Fleischtheke, darunter zwei Metzgermeister und vier Gesellen. Die oft jungen Fachleute stehen für handwerkliche Kompetenz und Spaß am Genuss. Ihre fünf Kollegen an der Fischtheke präsentieren Wolfsbarsch und Königskrabben wie in Frankreich offen auf Eis.

Das so Gesehene kann der Kunde an vier gastronomischen Stationen mit mehr als 60 Sitzplätzen verzehren. Neben den drei Bars für Kaffee, Pasta und Wein soll die Pop-up-Gastronomie alle zwei Wochen von einem anderen Frischebereich bespielt werden, zum Beispiel mit Geräuchertem, Grünkohlgerichten oder Burgern. Auf diese Weise probieren die Kunden, was es an den Theken zu kaufen gibt – sozusagen bezahlte Verkostung mit Event-Charakter und Aufenthaltsqualität.
Standortfakten
Adresse: Hans-Bredow-Str. 19, 28307 Bremen
Eröffnung: 26. November 2020
Investitionssumme: rund 10 Mio. Euro (LZ-Schätzung)
Verkaufsfläche: 6800 qm
Artikel: 50.000
Umsatz: 35 Mio. Euro (Ziel nach LZ-Schätzung)
Kundenfrequenz: 20.000 pro Woche (Ziel nach LZ-Schätzung)
Durchschnittsbon: 35 bis 40 Euro (Ziel nach LZ-Schätzung)
Mitarbeiter: 170
Kassen: 19 (davon 4 Selfscan, 3 Easy Shopper)
Parkplätze: 4700 fürs Einkaufszentrum
ÖZ: Mo-Sa 8-21 Uhr
Ladendesign: Interstore
Ladenbau: Schweitzer

Aber war da nicht was mit Corona? Wie funktionieren Gastronomie und Erlebniseinkauf unter den aktuellen Bedingungen? "Wegen Corona sind wir wirtschaftlich schwächer gestartet als erhofft", räumt Große-Wortmann ein. "Die Gastronomieumsätze fallen erst einmal weg." Convenience zum Mitnehmen könne das nicht auffangen. Auch die Bäckerei sei schwächer angelaufen als geplant, weil die meisten Kunden nur einmal pro Woche kämen und entsprechend wenig Brot kauften.

Dennoch glaubt der Manager langfristig an die Erlebnis- und Gastrobereiche. "Sie gehören heutzutage einfach zu einem gut geführten Markt und verschaffen uns ein Alleinstellungsmerkmal. Deshalb bin ich überzeugt: In spätestens drei Jahren ist dieser Markt in Bremen und Umgebung der Anlaufpunkt schlechthin." Mit geschätzt 20.000 Kunden pro Woche und einem Durchschnittsbon von 35 bis 40 Euro soll das E-Center dem Vernehmen nach einmal 35 Millionen Euro umsetzen. Da will Große-Wortmann bei Corona-bedingten Anlaufschwierigkeiten nicht kleinlich sein.

Die einzelnen Abteilungen möchte er deshalb auch keiner Vollkostenrechnung unterziehen. "Es wird schwierig, die Italien-Bedientheke in die schwarzen Zahlen zu bekommen", sagt der Geschäftsführer. "Das interessiert mich aber nicht, wenn am Ende Umsatz und Ertrag des ganzen Marktes stimmen." Auch Fischtheken seien in den seltensten Fällen profitabel. "Aber sie sind wertvoll für den Erfolg des Gesamtmarktes. Der Fischkunde generiert den größten Bon."

Nach der Fischtheke und dem letzten Glanzlicht Wein und Spirituosen beginnt der nüchterne Teil des Marktes. "Der zweite Teil ist der rationale Bereich, da kann der Kunde seinen Einkaufszettel abarbeiten", sagt Ladendesignerin Verena Zirwes. Die Aufteilung folgt der gleichen Logik ähnlicher Großflächen-Konzepte wie Jumbo Foodmarkt im niederländischen Breda und die Real-Markthalle in Braunschweig. Zuerst wird der Kunde emotionalisiert und in Zahlungsbereitschaft versetzt, um hochpreisige Frischware mit hohen Spannen zu kaufen. Danach erledigt er den Rest seines Einkaufs.

Vergleichsweise bodenständig

Im Unterschied zu seinen Vorbildern bleibt der Weserpark aber vergleichsweise bodenständig. Eine Austernbar sucht man hier ebenso vergeblich wie ein Sternerestaurant. Alle Elemente bleiben bei allem gewünschten Erlebnis abverkaufsorientiert. Und die Anmutung soll nicht zu edel sein – schließlich soll das E-Center nicht teuer wirken.

Das zeigt sich auch im Sortiment: Den obersten Preispunkt bei Schokolade setzt nicht etwa Schweizer Bioware für mehr als 4 Euro pro Tafel, sondern Niederegger mit 2,25 Euro. Im Chipsregal ist bei 1,85 Euro für 100 Gramm Gemüsechips von Heimatgut Schluss. Allerdings zeigt sich die Zweiteilung des Marktes auch bei den Preisen. Im emotionalen, vorderen Bereich traut Edeka den Kunden durchaus hohe Beträge zu. Da gibt es Dry-aged-Rumpsteak für 48,90 Euro das Kilo, Kavalan-Whisky für 219,64 Euro je Liter und Rotwein vom Château Lafite Rothschild für 974,78 Euro.

Edeka Minden will es Arm und Reich gleichermaßen recht machen. "Bremen hat nicht gerade die höchste Kaufkraft – die Umgebung schon eher", begründet Große-Wortmann. Generell operiere Edeka Minden aber eher dort, wo die Kaufkraft nicht so hoch sei. "Dafür brauchen wir ein ausgewogenes Verhältnis zwischen günstigen Eigenmarken, Marken und Spezialitäten."

Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal des Centers ist das ungewöhnlich breite und tiefe Sortiment mit rund 50.000 Artikeln. Viele Abteilungen zeigen hohe Kompetenz, etwa die Obstabteilung mit sieben laufenden Metern für Kartoffeln und je fünf Metern für Äpfel, Orangen, Tomaten und Salat. Die große Bioabteilung gleicht einem Fachmarkt, mit rund 80 laufenden Regalmetern auf mehr als 150 Quadratmetern, 16 Metern Kühlung und einer Unverpackt-Station.

Nur Nonfood ist wie überall auf der Großfläche auf dem Rückzug. Hatte Real noch auf der Hälfte der damals 11.000 Quadratmeter großen Fläche alles vom Kochtopf bis zum Fernseher angeboten, begnügt sich Edeka auf 800 Quadratmetern mit haushaltsnahen Dingen.

Und was ist mit Onlinehandel, dem großen Thema des Corona-Jahres 2020? Was ist mit Lieferdienst und Abholstationen? Nicht im E-Center Weserpark. "Es reicht wirtschaftlich nicht, um ein Geschäft daraus zu machen", begründet Große-Wortmann. "Das ist nur ein Hobby, und wir widmen uns schon anderen Hobbys."





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