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AB Inbev-Brauereidirektorin Maria Degener

Diversität und Transformation auf der Agenda

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AB Inbev-Brauereidirektorin Maria Degener
Diversität und Transformation auf der Agenda
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Seit August 2020 hat AB InBev in Deutschland eine Direktorin für das Braugeschäft mit 1 800 Beschäftigten. Interessant: Sie bringt statt eines Ingenieurstudiums einen HR-Hintergrund mit.

Frau Degener, was macht man als Brewery Operations Director?

Ich bin verantwortlich für die Produktion der vier Brauereien in Deutschland in puncto Jahres- und Zukunftshorizont. Das Tagesgeschäft leiten die Brauereimanager. Mein Job ist es, die Zukunft vorzubereiten durch Investitionen in Industrie 4.0 und die Qualifikation der Mitarbeiter. Ich gebe Ziele vor und bin dafür da, Blockaden zu beseitigen. Mein Job hat einen technischen Schwerpunkt, aber ich bringe einen HR-Hintergrund mit, und das ist extrem hilfreich.

Warum?


Man kann den Bereich Technik, Automatisierung immer weniger von den Mitarbeitern trennen. Die Maschine übernimmt im besten Fall den stumpfen Teil, aber die Fehleridentifizierung und Verbesserung der Automatisierung, dafür brauchen wir Menschen, die wir auf diesen Wandel vorbereiten müssen. Wir haben einen hohen Ausbildungsstand in den deutschen Brauereien und darauf bin ich stolz. Wichtig ist jetzt, unseren Leuten die explizite Erlaubnis zu vermitteln, dass sie mitreden, mit verbessern dürfen.

Mit einer Frau an der Spitze will AB InBev sicher auch ein Zeichen setzen. Wie hoch ist derzeit der Frauenanteil?

Von den 1 800 Mitarbeitern in meinem Bereich arbeiten 80 Prozent in der Frontline, also Abfüllung, Brauerei, Instandhaltung, Labor. Zum Management zähle ich die vier Brauereileiter, rund 30 Abteilungsleiter plus 150 Frontline-Leader: Prozessingenieure und Schichtmeister der ersten Führungsebene. Der Frauenanteil bei uns liegt noch unter 20 Prozent, er war mal sehr viel niedriger. Wir arbeiten daran, ihn zu verbessern.

Als Sie vor 13 Jahren Ihr Traineeprogramm hier antraten, waren es vermutlich noch weniger?

Ja, bestimmt. Nach der Trainee-Zeit wurde ich eine der ersten Schichtmeisterinnen in der Bierabfüllung in Deutschland. Aber langsam kommt Bewegung in die Sache. Wir haben immer mehr Brauerinnen und bemühen uns sehr, schon bei der Einstellung auf bessere Quoten zu kommen. Allerdings findet man unter den Absolventen von Ingenieursstudiengängen weniger als 25 Prozent Frauen. Wir haben daher unsere Suche auf naturwissenschaftliche Abschlüsse ausgedehnt. Da geht es eher in Richtung 50:50.



Gibt es bei AB InBev eine Frauenquote?

Nein, wir haben keine Quote. Das hat mit unserer Meritocracy-Kultur zu tun: Wir wählen nach Leistung aus und nichts anderem.

Warum ist es reizvoll für eine junge Ingenieurin bei AB Inbev anzufangen, obwohl die Brauereiwelt immer noch eine Männerwelt ist?

Natürlich gibt es allgemeine Punkte, die uns als riesengroßes internationales Unternehmen attraktiv machen als Arbeitgeber. Wir glauben an flache Hierarchien und an Beförderung aufgrund von Leistung, nicht Zugehörigkeit, und das hilft Frauen. Wir duzen uns und ich bin für wirklich jeden ansprechbar. Woran wir arbeiten, ist die angstfreie Organisation: Alle sollen lernen, dass sie Feedback und Kritik geben dürfen und sollen. Wer keine Fehler macht, der lernt auch nichts. Da bin ich Fan der US-Verfassungsrichterin Ruth Bader Ginsberg, die sich sehr für Gleichberechtigung eingesetzt hat: Wenn ich zeige, wie manche Umstände nicht nur die Minderheit, sondern auch die Mehrheit belasten, mache ich es für alle besser. Es geht nicht nur um Frauen.

Maria Degener
Die Bremerin startete 2009 bei Anheuser-Busch InBev als Global Management Trainee. 2011 führte sie als erste Schichtmeisterin 45 Leute in der Beck‘s-Abfüllung. Gleiches tat sie in Kalifornien bei Budweiser. Es folgten Stationen in HR und interner Kommunikation im Global Headquarter von Anheuser-Busch InBev in New York. Die 40-Jährige leitet die vier deutschen Brauereien des Unternehmens mit rund 1800 der 2700 Beschäftigten. Die Vertriebseinheit für Beck‘s, Franziskaner, Diebels und Co führt Deutschland-Chef Michel Pepa.


Die erste Schichtleiterin zu sein unter lauter Männern, war wahrscheinlich nicht immer schön, oder?

Ich bin damals mit meinen 29 Jahren fast ein bisschen naiv an die Aufgabe herangegangen. Meine Mutter hat als Alleinerziehende voll gearbeitet in einer Führungsposition. Daher war es für mich selbstverständlich, dass Frauen Dinge bewegen können. Natürlich gibt es Momente, wo man mit dummen Sprüchen konfrontiert wird. Das hat für mich aber kein Problem dargestellt.

Warum nicht?

Die Kollegen haben auch einen Spruch von mir bekommen oder eine ernste Ansage. Es ist eine Gratwanderung: Du bist die einzige Frau und möchtest Teil des Teams sein, musst aber Grenzen setzen. Suchst Du jedes Mal den Schutz von HR, wenn es Dir zu weit geht, bist Du nicht Teil des Teams. Rückblickend denke ich manchmal, ob ich bestimmte Dinge noch deutlicher hätte machen müssen. Nicht für mich, sondern für die Frauen, die nach mir kommen. Damit man dieses Rüstzeug "stark und schlagfertig" nicht mitbringen muss.

Wie hat die damalige Exotenrolle als Schichtmeisterin Ihre Karriere beeinflusst?

Diese Erfahrung beeinflusst, was ich heute mache, welche Gespräche ich führe, wie ich für Frauen hier als Mentorin und als Ansprechpartnerin da bin, um sie zu unterstützen. Man muss repräsentiert sein, um den Glauben weiter wachsen zu lassen, dass hier Gleichberechtigung herrscht, dass Frauen viel erreichen können. Der Fakt, dass ich jetzt in dieser Position bin, hat bei vielen Frauen positive Reaktionen hervorgerufen.

Wie hoch ist der Frauenanteil in anderen AB Inbev-Ländern?

Das kommt auf die Region an und wann Gleichberechtigung Teil der Strategie wurde. USA hat Deutschland einiges voraus: Schon als ich 2013 zu Budweiser kam, arbeiteten dort 50 Prozent Frauen. Heute stellen sie auch die Hälfte der Braumeisterinnen. Das zeigt: Man kann es nicht erzwingen, muss es von innen wachsen lassen. Ich hoffe sehr, dass auch in Deutschland die Brauerinnen und Mälzerinnen von heute in fünf bis zehn Jahren unsere Braumeister verstärken.

Wenn es keine Quote gibt, wie messen Sie dann den Fortschritt von Diversität?

Wir messen mit Kennzahlen an fünf Punkten, die wir "Moment der Wahrheit" nennen: Bewerbung, Einstellung, Einarbeitung, Beförderung und Lebensmomente wie Eltern werden oder Eltern pflegen. Wir schauen genau, wie viele Frauen prozentual befördert wurden. Und wenn es weniger sind als Männer, prüfen wir, woran es lag.

Und was passiert bei den Lebensmomenten?

Wir fragen beispielsweise Eltern, die zurückkommen, wie gut sie sich unterstützt fühlten am Anfang und Ende der Elternzeit, um unsere Prozesse zu verbessern. Erkenntnis: Wir hatten Nachholbedarf und haben gerade unsere Elternzeit-Policy verbessert. Wer ein Baby bekommt, kriegt jetzt sechs Monate lang sein volles Gehalt und braucht in einer achtwöchigen Wiedereingliederungszeit erst einmal nur 75 Prozent zu arbeiten. Eltern sollen Zeit haben, sich auf ihre neue Rolle einzustellen. Sie haben oft den Anspruch, genauso zu funktionieren wie vorher, das ist aber nicht der Fall.

Mehr Elternzeit ist für eine Brauerei eine Schlagzeile, die Frauen aufmerken lässt.

Ja, Brauerei und Frauen, das muss erst einmal in die Köpfe hinein. In Stellenanzeigen achten wir schon bewusst darauf, dass im Bild auch Frauen auf dem Gabelstapler sitzen.

Was ist Ihre derzeit größte Herausforderung als Führungskraft?

Den Wandel in der Industrie zu unterstützen durch Empowerment über alle Ebenen hinweg. Was mich auch fordert, ist mehr Diversität zu fördern: Ich als weiße Frau bin privilegiert, habe aber ein Verständnis dafür bekommen, was es heißt, in der Minderheit zu sein. Ich war oft die einzige Frau im Raum. Und ich weiß, wie es als Deutsche unter Amerikanern ist. Viele Führungskräfte, die weiß und männlich sind, kennen das nicht. Sie fühlen sich schnell angegriffen, wenn man ihnen das sagt. Da muss man Mauern durchbrechen, um Offenheit zu kreieren von den Menschen, die in der Mehrheit sind, für die in der Minderheit.


Warum wirbt neuerdings jedes Unternehmen damit, Diversität zu fördern?

Ich persönlich halte es für das moralisch Richtige. Zweitens hat das Unternehmen echte wirtschaftliche Vorteile von einem diversen Team mit unterschiedlichen Sichtweisen und Antworten. Ansonsten bekommt man von allen die gleiche Lösung für ein Problem. Hinzu kommt: Wenn Mitarbeiter sich im Arbeitsumfeld nicht wohlfühlen und gehen, kostet die Neugewinnung von Leuten auch viel Geld.


Schaden die Schlagzeilen, dass AB InBev einen Teil seiner deutschen Biermarken verkaufen will, der Mitarbeiterbindung?

Das Gerücht gibt es, seit ich bei AB InBev bin. Wenn Fragen kommen, nehme ich mir die Zeit und beruhige Ängste. Aber das Thema begleitet mich seit zehn Jahren.

"Unser Traum ist es, das beste Brauereiunternehmen der Welt zu sein", liest man auf der Homepage. Was kriegt ein Mitarbeiter davon mit?

Wir bringen Menschen zusammen für eine bessere Welt. Intern arbeiten wir hart und zum Teil auch viel, aber die Leistung wird gewürdigt: Zeigen Sie mir einen Menschen ohne Ingenieurstudium, der in meiner Position ist. Extern geht es um Nachhaltigkeit, Ressourcen sparen. Mit Nachhaltigkeit ist es wie mit Diversität: Sie ist moralisch richtig und als Brauerei haben wir klare wirtschaftliche Vorteile, wenn wir Wasser einsparen. Das ist der Hauptrohstoff im Bier.

Die Generation Z ist anders gepolt als ihre Babyboomer-Kollegen. Kann ein großer Konzern es sich leisten, die eher Work-Life-Balance-Orientierten auszusortieren?

Nein, diese Kultur müssen wir umsetzen, um der nächsten Generation gerecht zu werden. Ich versuche, meinem Team beizubringen, dass sie die explizite Erlaubnis haben, ihren Alltag zu managen. Meine Mitarbeiter müssen mich weder um Urlaubs- noch Homeoffice-Tage bitten. Wie wir mit weniger Belastbarkeit umgehen, darauf habe ich noch keine gute Antwort. Ein Beispiel: Durch meine Arbeit als Schichtmeisterin habe ich das Tagesgeschäft in der Brauerei von Grund auf verstanden mitsamt der Empathie für Schichtarbeiter. Ich hätte gern, dass der Führungsnachwuchs am Anfang eine ähnliche Position einnimmt, aber keiner möchte Schichtarbeit machen. Sie passt nicht zum Sozialleben und den eigenen Vorstellungen. Am Aufstiegswillen dagegen mangelt es nicht. Da haben wir eher das Problem, dass zu viele denken, nur die Teamleitung bringt sie voran. Aber das ist nicht für jeden etwas und es gibt andere Wege.

Was sind Ihre Ziele 2022?

Das erste Jahr ist immer sehr turbulent in einem neuen Job. Jetzt habe ich die Monate alle einmal durch und eine gewisse Ruhe gefunden. Die möchte ich mir bewahren, weil ich mit ihr besser zuhören kann, empathischer bin.






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