Mittelstand: Beiräte als Innovationstreiber
Mittelstand

Beiräte als Innovationstreiber

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Impulse: Ein moderner Beirat ist Sparringspartner für Zukunftsstrategien.
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Beiräte als Innovationstreiber
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Die Rolle von Beiräten wandelt sich. Der Mittelstand setzt auf zukunftsorientierte Kompetenzbeiräte. Ein Beispiel ist der zweitgrößte deutsche Fleischwarenanbieter The Family Butchers.

Die Mehrheit mittelständischer Unternehmen vertraut auf die Unterstützung eines Beirats. Doch die Unterschiede sind groß, wie er aufgebaut und mit welchen Aufgaben er betraut ist. Bestimmen können das Inhaber oder Teilhaber selbst, da sie nicht zu einem Kontrollgremium verpflichtet sind. In vielen Fällen sitzen neben Familienmitgliedern Experten wie Steuerberater, Bankkaufleute sowie persönliche Vertrauenspersonen. Das Aufsichtsorgan kann dann als wohlmeinender Aufpasser verstanden werden. Es soll grobe Fehler der Geschäftsführung verhindern. Oft genug hilft es zudem, die verschiedenen Stämme der Inhaberfamilien zu befrieden und ihre Interessen auszugleichen – insbesondere, wenn Nachfolgegenerationen am Ruder sind.

Dieser klassische Ansatz sei "eher rückwärts gerichtet und wenig innovationsförderlich", beobachtet Margareta Glass. "Der Trend geht weg von branchenfremden Spezialisten hin zu multidisziplinären Teams. Gerne mit Generalisten, die selbst ein Unternehmen führen", sagt die Managing Partnerin und Geschäftsführerin der Personalberatung Signium Deutschland. Sie rät zu Personen, die über Fach- und Branchenkenntnisse verfügen, den Markt und die Kunden kennen. Sie können Innovationsstrategien besser beurteilen. Die Vorteile: "Sie bringen aktiv ihr Know-how und ihr Netzwerk mit ein."

Am Beispiel von The Family Butchers lässt sich der Wandel nachvollziehen: Hans-Ewald Reinert hat bereits 20 Jahre "gute Erfahrungen" mit einem Beirat gemacht, der bei der "Privat-Fleischerei Reinert" schon 2001 gegründet wurde. Damals waren die Anforderungen anders als heute, berichtet der geschäftsführende Gesellschafter des Wurstwarenherstellers: Der Generationswechsel mit Übergang der operativen Verantwortung von seinem Vater Hans auf ihn stand an. Das Gremium sollte auch die Interessen des zweiten Familienstamms wahren, der nicht in der Geschäftsführung aktiv war.

Als Vorsitzender des Beirats war Peter May, Gründer der Intes Akademie für Familienunternehmen, von Anfang an dabei. Darüber hinaus war die Runde klassisch besetzt und vornehmlich mit Familien- und Finanz-Knowhow ausgestattet. Es gab drei Mitglieder pro Familienstamm. Der Beirat hatte damals Entscheidungsbefugnis – mit einer Doppelstimme des Vorsitzenden May. Nachdem Hans-Ewald Reinert 2009 alle Anteile des Unternehmens übernommen hatte, wurde daraus ein beratender Beirat mit drei Mitgliedern plus seinem Vater als Ehrengast.

Neu aufgestellt wurde die Runde jüngst infolge der Fusion von Reinert mit Kemper im Jahr 2019. Aus dem Zusammenschluss ging The Family Butchers mit dem Führungsduo Hans-Ewald Reinert und Wolfgang Kühnl hervor. Kühnl kannte das Format bis dahin nicht aus eigener Erfahrung. "Doch er fand die Idee, sich Impulse von außen zu holen, sehr gut", freut sich Reinert über die Fortführung. "Die Arbeit in dem Gremium ist über die Jahre immer professioneller geworden", erinnert er sich. Für das fusionierte Unternehmen setzte sich diese Zielrichtung fort: Zwei zusätzliche Mitglieder, mit Marktkenntnis sowie Expertise zu Nachhaltigkeit und Digitalisierung ergänzen inzwischen die Runde.

Bis heute ist May Vorsitzender des TFB-Gremiums. Außerdem dabei ist Astrid Teckentrup, Deutschland-Chefin von Procter & Gamble, sowie Business-Coach Camelia Reinert-Buss. Hinzu gekommen sind Zièd Bahrouni, Gründer und CEO von Motius, ein auf neue Technologien spezialisiertes junges Unternehmen, und Michael Durach, Inhaber des für Nachhaltigkeit ausgezeichneten Senfherstellers Develey.

"In dieser Runde ist viel Raum für neue Themen", beschreibt Reinert. "Die Diskussionen sind immer vorwärts gerichtet." Während ihn in der weiteren Vergangenheit manchmal das Gefühl beschlichen hatte, er müsse sich vor dem Aufsichtsgremium rechtfertigen, gehe es heute um die kreative Gestaltung der Zukunft. "Ideen werden natürlich aus dem Unternehmen heraus entwickelt", erläutert er. Ergänzt durch ein transparentes Zahlenwerk und erste Lösungsansätze für den Markt. "Wenn wir das dann zur Diskussion stellen, bekommen wir eine qualifizierte Einschätzung aus unterschiedlichen Perspektiven." Diese Impulse fließen in die Innovationsstrategie ein.

Ohne die Überzeugung dieser Experten wäre beispielsweise die noch junge Offensive mit "Veggi 2.0" wohl nicht auf den Weg gebracht worden: Ab dem kommenden Jahr will TFB den Markt für vegetarische und vegane Wurstalternativen aufrollen. Dabei differenziert sich die neue Range durch den Verzicht auf Zusatzstoffe vom Wettbewerb. Das Tochterunternehmen The Plantly Butchers wurde eigens dafür gegründet. "Wir starten eine neue Reise", zeigt sich der Chef gespannt, wo es am Ende hin geht, und kündigt weitere Überraschungen an: "Wir haben noch mehr Ambitionen. Das muss nicht bei Wurst und ähnlichen Alternativprodukten enden."

"Beiräte sind zu einem entscheidenden Erfolgsfaktor im Konsumgütermarkt geworden", so Glass. "Doch nur wenige inhabergeführte Unternehmen haben ein aktiv unterstützendes, innovationsorientiertes Team." Grundsätzlich gehörten Kompetenzen für Finanzen, Marketing & Vertrieb, People Management, Nachhaltigkeit und Digitalisierung ins Gremium. "Jemanden aus dem Handel zu integrieren, ist die Kür." Bei allen Beteiligten müssen Interessenskonflikte ausgeschlossen werden. Branchen-Know-how ist erwünscht, Mitbewerber oder Geschäftspartner dürfen es nicht sein.



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