Transformation bei Henkel : "Der Fortschritt ...
Transformation bei Henkel

"Der Fortschritt zur digitalen Fabrik ist unaufhaltsam"

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Transformation bei Henkel
"Der Fortschritt zur digitalen Fabrik ist unaufhaltsam"
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1899 legte Fritz Henkel den Grundstein für die Waschmittelfabrik in Düsseldorf-Holthausen, heute gilt das Werk als Leuchtturm für digitale Transformation. Stefan Kozielski, bis Juli Werksleiter, und der global für Digitalisierung zuständige Johannes Holtbruegge wissen, was es heißt, Mitarbeiter mitzunehmen in die vierte industrielle Revolution.

Herr Kozielski, was unterscheidet White Collar von Blue Collar Arbeitern, wenn es um Digital Upskilling geht? Machen wir es an der neuen Henkel-Initiative fest, alle Tarifmitarbeiter mit einem persönlichen iPad auszustatten.

Kozielski: Wer mit dem Schraubenschlüssel an der Anlage arbeitet, keine dienstliche Mailadresse hat und als Bildschirm bisher nur den Terminal in der Fabrik nutzt, für den ist die Nutzung eines persönlichen iPads ein größerer Schritt. Da wir von Montag bis Freitag im Dreischichtbetrieb rotieren, war auch die Erreichbarkeit für Schulungen zuvor schwierig. Jetzt kann jeder Mitarbeiter sich individuell nach Belieben digital fortbilden.

Stefan Kozielski: Bis Juli Werksleiter im Düsseldorfer Stammwerk für Waschmittel.
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Stefan Kozielski: Bis Juli Werksleiter im Düsseldorfer Stammwerk für Waschmittel.
Wie begleiten Sie die Einführung?

Kozielski: Über eine IT-Hotline, Ansprechpartner in der Fabrik und in der Personalabteilung. Wir haben gelernt, kaskadiert vorzugehen: Erst binden wir die Bereichs- und Schichtleiter ein, die es der Schichtbesatzung näherbringen. Am besten etablieren sich digitale Tools, wenn Kollegen für die Vorteile werben, sich gegenseitig dazu austauschen und bei der Anwendung helfen.

Herr Holtbrügge, Sie treiben die Digitalisierung global voran. Was hilft aus Ihrer Erfahrung dabei, Produktionsmitarbeiter digital fit zu machen?


Holtbruegge: Als wir 2013 begonnen haben, die Produktion mit dem Digital Backbone zu hinterlegen, wählten wir den Top-Down-Ansatz: Die Mitarbeiter wurden mit neuen Tools konfrontiert und hatten viele Fragen, wie sie diese in die tägliche Arbeit einbinden sollen. Seitdem arbeiten wir, egal ob es um neue Funktionen oder Dashboards geht, mit Scrum, um alle Beteiligten in einem sehr frühen Stadium gut mitzunehmen. Gemeinsam entwickeln wir sehr schnell: In jedem Projektteam sind Anlagenfahrer. Sie bekommen einen Klick-Dummy, geben Feedback und wir ändern so lange, bis das Produkt für das Werk reif ist. Dadurch haben wir in der Fabrik schon Mitarbeiter, die das Produkt kennen und die Kollegen damit vertraut machen.


Henkel treibt Industrie 4.0
•Seit 2013 verknüpft Henkel Sensor- und Produktionsdaten der Wasch- und Reinigungsmittelproduktion an 32 Standorten in Echtzeit mit einer cloudbasierten Datenplattform, dem Digital Backbone.
•Die meisten der 6 000 Mitarbeiter mussten lernen, webbasierte Oberflächen zu steuern, standardisierten Arbeitsabläufen und digitalen Überwachungstools zu vertrauen.
•Das Düsseldorfer Werk ist mit 350 Mitarbeitern für 25 Produktionslinien das zweitgrößte. Hier werden neue Prozesse auf globale Skalierbarkeit getestet.
•2020 zeichnete das Weltwirtschaftsforum die Fabrik als Leuchtturm für die Industrie 4.0 aus, diesen Juni gewann sie den Industriepreis ‚Fabrik des Jahres‘.


Was sind die Hürden?

Holtbruegge: Oft ist die Arbeitsroutine eine Herausforderung – nicht die Bedienung des iPads. Gleiches gilt für Künstliche Intelligenz: Früher haben unsere Mitarbeiter die Maschine gewartet, wenn sie ungewöhnliche Geräusche gemacht hat. Heute zeigt der Digital Backbone, wann man vorbeugend warten muss. Es geht viel darum, Vertrauen in die Technologie zu schaffen!

Johannes Holtbrügge: Global für die Digitalisierung der Wasch- und Reinigungsmittelproduktion zuständig.
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Johannes Holtbrügge: Global für die Digitalisierung der Wasch- und Reinigungsmittelproduktion zuständig.


Wie profitieren die Mitarbeiter?


Holtbruegge: Die Bildschirme zeigen den Mitarbeitern die aktuelle Anlagenleistung, Geschwindigkeiten, Performance-Raten oder Produktausschuss an. Dadurch bekommen sie ein anderes Gefühl der Übersicht und Kontrolle. Und es gibt definitiv weniger Störungen, weil die Wartung und Instandhaltung in Intervallen stattfindet und nicht mehr dann, wenn es klemmt. Eine Produktionslinie ist mindestens 50 Meter lang. Bei vielen Störungen würden die Mitarbeiter in einer Schicht bis zu 20  000 Schritte laufen. Läuft das Band störungsfrei, legen die Mitarbeiter nur circa 4 000 Schritte zurück.

Welche Arbeit liegt noch vor ihnen?


Holtbruegge: Technologisch ist mit Algorithmen noch viel mehr möglich rund um Machine Learning oder Big Data Analytics. Aber das beste System ist nicht effizient, wenn es nicht genutzt wird. So setzen wir "Digital Engineers" ein, die in den Werken schauen, wie wir technologische Entwicklungen für Mitarbeiter lehrbar, umsetzbar und verständlich machen. In "Digital-Gyms", modernen Schulungsräumen, können unsere Mitarbeiter neue digitale Hilfsmittel wie Augmented Reality oder Wearables ausprobieren, um etwa digitale Instandhaltungsanweisungen kennenzulernen.

 Wie motivieren Sie?

Kozielski: Mit Sinnhaftigkeit. Wir wurden gerade auf dem Kongress "Fabrik des Jahres" ausgezeichnet. Der Veranstalter sagte, in den besten Fabriken arbeiten Leute, die eine Vision oder ein sinnstiftendes Element antreibt – so auch in unserer Produktion in Düsseldorf. Das Team hat sich zum Ziel gesetzt, das digitalste, effizienteste und nachhaltigste Waschmittelproduktionsnetzwerk der Welt aufzubauen. Hat ein Linienfahrer früher nur das Ergebnis der Pril-Linie gesehen, die er gefahren ist, kann er heute global alle Produktionslinien des Bereichs einsehen. Das fördert das Gesamtverständnis für "das große Ganze" und die Motivation, ein wichtiger Teil davon zu sein.

Stellen Sie heute andere Leute ein als vor 20 Jahren?

Holtbruegge: Ja, wir suchen Menschen, die neue Technologien nicht nur nutzen, sondern auch weiterentwickeln. Früher war eine Ausbildung zum Mechaniker oder Elektroniker üblich, um Anlagenfahrer zu werden. Heute suchen wir den Mechatroniker, der sich in mehreren Disziplinen auskennt.

Hat sich die Fabrikorganisation durch Digitalisierung verändert?

Holtbruegge: Wir arbeiten in kleineren, Zellen, die einen höheren Grad von Autonomie haben. Es gibt neue Rollen, wie den Zuverlässigkeits-Ingenieur, der sich ausschließlich darum kümmert, Fehler und Unterbrechungen in der Anlage zu eliminieren. Schichtleiter waren früher primär für die Anlage und Technik zuständig, heute gehört die Materiallogistik, die Implementierung neuer digitaler Tools und natürlich das Teambuilding dazu.


Wird es für Ungelernte schwieriger, einen Job zu finden?

Kozielski: Grundsätzlich ermutigen wir alle Mitarbeiter, sich weiterzuentwickeln. Viele Tätigkeiten werden durch die Automatisierung von Prozessen verschwinden, zum Beispiel durch fahrerlose Transportsysteme oder Depalettier-Roboter. In jeder Fabrik wird es weiterhin auch einfache Tätigkeiten geben, auf diese sollte sich meiner Meinung nach jedoch niemanden verlassen, denn der Fortschritt zu einer digitalen Fabrik ist unaufhaltsam.

Ist es das, was die Diskussion um die Industrie 4.0 immer beschwert?

Kozielski: Diese Frage beantwortet jede Branche unterschiedlich. Überall wird daran gearbeitet, den Automatisierungsgrad weiter zu steigern, insbesondere in der Materiallogistik. Unsere Vision ist eine staplerfreie Fabrik. Also könnte es in Zukunft weniger Gabelstaplerfahrer geben. Gleichzeitig entstehen neue Jobs in der Fahrzeugwartung und -programmierung. Der Jobeinstieg ist in der digitalisierten Produktion leichter und wir müssen die Arbeit in der Fabrik attraktiv gestalten: Der Arbeiterpool, der offen für den Schichtbetrieb ist, wird in Deutschland immer kleiner.

Was sollte der Arbeiter der Zukunft mitbringen?

Holtbruegge: Er sollte offen für neue Technologien und Prozesse sein. Er muss akzeptieren, dass sich der Arbeitsalltag in der Fabrik kontinuierlich entwickelt und auch Werks- oder Schichtleiter neue Dinge ausprobieren. Die Bereitschaft, dabei mitzumachen, ist essenziell.

Und was braucht der Werksleiter der Zukunft?

Kozielski: Führungskräfte in der Produktion sind permanent gefordert, ihre Mitarbeiter zu schulen und den Dialog mit ihnen zu suchen. Unser Vorteil bei Henkel: Die Belegschaft hat den Großteil der Lösungen selbst entwickelt und genau dieser Bottom-up-Ansatz stärkt die intrinsische Motivation: Mannschaftsgeist, Team-Gefühl, Wettbewerb und Spaß an der Arbeit sind entscheidend. Erfolge feiern wir daher mit Wanderpokalen und Prämien.



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