Stabile Umsätze, steigende Gewinne, eine weitgehend erfolgreiche Internationalisierung: Bei FrieslandCampina gibt es kaum Grund zu klagen. Dennoch rumort es beim niederländischen Molkereiriesen – wie der Abgang von CEO Roelof Joosten zeigt.
Stürmische Zeiten bei FrieslandCampina: Nur wenige Wochen nachdem der Molkereikonzern bekanntgegeben hatte, die Organisation zu straffen, hat nun fast die komplette Vorstandsriege ihren Abschied angekündigt. Während einige Abgänge zu erwarten waren – schließlich soll im Zuge des Umbaus auch das Führungsgremium radikal verkleinert werden – zeigen sich Branchenkenner ob einer Personalie überrascht, dem Rücktritt von CEO Roelof Joosten.
Dass der Chef zum Jahreswechsel 2017/18 den Hut nimmt, liegt dem Vernehmen nach auch weniger an seiner unternehmerischen Bilanz als vielmehr an den sogenannten Soft-Skills. Befürworter beschreiben Joosten als "Macher", Kritiker als "kompromisslos", Gegner, in Anlehnung an den türkischen Staatschef, als "Erdogan-Typ".
Kenner berichten, dass der ehemalige Unilever-Manager schon seit Längerem in der Genossenschaftsmolkerei umstritten sei. Besonders die Landwirte, die zugleich Besitzer des Unternehmens sind, hätten mit seiner zuweilen "arroganten und überheblichen" Art gefremdelt, heißt es. Lange Zeit hätten Joosten aber die wirtschaftlichen Erfolge vor Angriffen gefeit.
Dass es jüngst Rückschläge bei der von ihm getragenen und eigentlich erfolgreichen Internationalisierungsstrategie gegeben hat – die pakistanische Mehrheitsbeteiligung Engro Foods kämpft mit zweistelligen Umsatz- und Gewinnrückgängen, der chinesische Joint-Venture-Partner Huishan Dairy mit massiven Finanzproblemen –, dürfte seine Position nicht gestärkt haben. Gestolpert, so ist zu hören, sei Joosten letztlich aber in der Heimat: über Nachhaltigkeitsprogramme, die er den Landwirten aufgedrückt habe, diese aber zunehmend überfordert hätten. Gefolgt seien Konflikte mit dem von Milchviehhaltern dominierten Aufsichtsrat.
Welche wirtschaftlichen Folgen der Chefwechsel haben wird, ist ungewiss. Der Konzern steht vor einer Umstrukturierung. Um schneller und flexibler agieren zu können, will FrieslandCampina ab dem 1. Januar 2018 mit vier neuen Business Groups am Markt auftreten. Auch soll der Vorstand mit zwei Mitgliedern, statt sechs, schlanker aufgestellt werden. Die Abgänge der beiden COOs Piet Hilarides und Bas van den Berg zum Jahresende werden der Neuordnung zugeschrieben. Joosten allerdings sollte als starker Mann den Umbau leiten. Ob sein Nachfolger und Noch-Finanzchef Hein Schumacher, das Format hat, den Konzern unternehmerisch voranzubringen, zweifeln Marktkenner an. Wer künftig den CFO-Posten bekleidet und den Vorstand komplettiert, ist zudem offen.
Ungeachtet der Unruhen läuft das Geschäft bisher aber stabil. Im Jahresbericht für 2016 steht ein Umsatz von 11 Mrd. Euro, was trotz der seinerzeitigen Milchpreiskrise ein Rückgang von nur 1,9 Prozent zum Vorjahr war. Der Jahresüberschuss kletterte um 5,5 Prozent auf 362 Mio. Euro. Auch das erste Halbjahr 2017 blieb der Konzern auf Kurs. Bei deutschen Genossenschaftsmolkereien gilt FrieslandCampina darüber hinaus als Benchmark, was den Milchauszahlungspreis anbelangt.
Klar ist freilich, dass der hiesige Markt, der ein Zehntel zum Umsatz beisteuert, dem Konzern wenig Freude macht. Die deutsche Tochter schreibt Verluste. Erst im April wurde mit Jan Kruise ein neuer Chef in Heilbronn installiert. Dieser hat, wie auch andere Molkereien, derzeit damit zu kämpfen, höhere Preise für Handelsmarken und bessere Margen für Marken herauszuholen. Ein Vorhaben, das für Konflikte mit dem LEH sorgt.