Onlineboom und monatelange Lockdowns stellen das Geschäft vieler Markenstores auf die Probe. Trotz aller Widrigkeiten halten große Konsumgüterhersteller an ihren Konzepten fest und investieren weiter in imageträchtige Erlebnisstores.
Mars Wrigley will dieses Jahr am Berliner Kudamm sein erstes 3000 qm großes M&M-Flagship in Kontinentaleuropa eröffnen. Mattel plant ein riesiges Entertainmentcenter auf mehr als 4000 qm am Potsdamer Platz. Oetker möchte in Frankfurt ein weiteres Gastro-Konzept "Gugelhupf & Du" starten. Und Beiersdorf baut gerade seine beiden Nivea-Häuser in Berlin und Hamburg aufwändig um. Zwar mussten zuletzt einige Projekte der Hersteller auf Eis gelegt werden, aber das Konzept Markenstore als besondere Form des Erlebniseinkaufs in Metropolen oder Shoppingzentren bleibt auch hierzulande aktuell.
Seit Jahrzehnten investieren vor allem internationale Premiumhersteller von Apple über Lindt & Sprüngli bis hin zu L'Oréal zig Millionen in stationäre Markenpräsenzen. Und das, obwohl sich die häufig herausragenden Image-Standorte in 1-A- oder exponierten Lagen auf den ersten Blick kaum rechnen. Nicht selten stehen den horrenden Mietkosten nur vergleichsweise geringe Flächenumsätze gegenüber. Zudem wird Online-Shopping immer beliebter, entsprechend experimentieren viele Markenplayer mittlerweile lieber mit virtuellen Verkaufswelten und personalisierbaren Produkten im Netz.
Trotzdem bleiben eigene Läden für namhafte Konsumgüterhersteller attraktiv, um ihre Marken hautnah erlebbar zu machen, beobachtet etwa Claudia Horbert, Director Research Store Planning & Design beim EHI Retail Institute in Köln. "Vor allem dann, wenn digitale Features in die Ladenpräsenz mit einfließen." Aktuelle Beispiele für diese Kombination sind etwa die Flagship-Stores von Adidas in London, Samsung in Seoul oder Nike Rise in Guangzhou. Auch Lancôme auf den Champs Elysées in Paris arbeitet mit der Kombination von stationärem Verkaufen und virtuellen Tools.
Seit Monaten macht zudem die Corona-Pandemie vielen Markenshops zu schaffen. Junge Markenhersteller wie Mymuesli mussten in der Folge sogar fast alle ihre Stores schließen. Selbst Global Player Lindt & Sprüngli spürte im eigenen stationären Netz mit weltweit etwa 500 Shops im vergangenen Jahr deutliche Einbußen. Insgesamt erzielte die Konzernsparte "Global Retail" 2020 laut Geschäftsbericht einen Umsatz von rund 450 Mio. Schweizer Franken, 2019 waren es noch über 600 Mio.
Claudia Horbert ist jedoch davon überzeugt, dass es auch weiterhin Flagship-Stores von Herstellern an besonders wichtigen, herausgehobenen Standorten geben wird, um den Marken den entsprechenden Inszenierungsraum zu geben. "Dies gilt vor allem für Premium-Brands, aber auch für Standorte von Filialisten. Hier wird sich jedoch die Filialbereinigung, die schon vor Corona begonnen hat, fortsetzen."
Wenn auch die stationären Bedingungen schwieriger werden, bleiben Brand Stores wichtige Magneten, um die Kunden in die Cities zu ziehen und für die jeweilige Marke zu begeistern. Besonders wenn es ihnen gelingt, eine emotional aufgeladene Atmosphäre zu kreieren, die alle Sinne anspricht. Wie im neuen "Home of Chocolate", das Schokoprimus Lindt & Sprüngli im vergangenen Herbst in der Nähe von Zürich eröffnet hat. Auf mehr als 20.000 qm demonstriert dort der Premiumspezialist seine Schokoladenkompetenz – inklusive interaktivem Museum, Forschungsanlage, Schauproduktion und dem bislang größten Lindt-Laden auf 500 qm. "Das Lindt 'Home of Chocolate' soll zur langfristigen Sicherung des Schokoladenstandorts Schweiz beitragen", formulierte Ernst Tanner zur Eröffnung seine Vision. Der Ex-Konzernchef ist heute Stiftungsratspräsident der Lindt Chocolate Competence Foundation, die für den Bau verantwortlich ist. Mehr als 100 Mio. Franken wurden in das Prestige-Zentrum investiert, 350.000 Besucher erwartet Tanner pro Jahr.
Ähnlich ambitioniert zeigt sich Tech-Ikone Apple, wenn es um eigene Flagship-Stores geht. So beeindruckt neuerdings der US-Konzern durch einen schwimmenden Glaspalast in Singapur. Der kugelartige Bau wurde vom britischen Star-Architekten Norman Foster entworfen und gilt wegen seines extravaganten Designs als der bislang spektakulärste der weltweit über 500 Apple-Läden. Der Markenstore in der Marina Bay von Singapur ist komplett von Wasser umgeben. Über einen Steg und durch einen unterirdischen Zugang, der mit einer benachbarten Einkaufspassage verbunden ist, gelangt der Kunde in den Laden unter der riesigen Glaskuppel.
Dagegen beschränkt sich die internationale Teemarke Twinings des Mischkonzerns Associated British Foods auf eine einzige Storepräsenz mit Tradition. Das älteste Teegeschäft Londons besteht seit 1706, ist beliebtes Touristenziel und Twinings' einziger Direktverkaufsladen weltweit. Im vergangenen Sommer wurde der Store komplett renoviert wiedereröffnet. Der nur 80 qm große Raum wurde so umgestaltet, dass die Kunden interaktiv mehr über die Marke erfahren können. Stephen Twining, der zehnte Nachkomme in der Generation der Herstellerfamilie, versteht seinen neugestalteten Shop als Plattform, auf der sowohl die Geschichte der Marke als auch ihre heutige Bedeutung den Kunden präsentiert werden kann. Eine Verkostungsbar im Untergeschoss, umgeben von großformatigen Bildschirmen, die als virtuelle Fenster in Twinings Teeplantagen führen wollen, rundet die Markenpräsenz ab.