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Interview mit Hygiene-Experte Ralf Ohlmann

"Vernebelung alternativer Hygienewirkstoffe konnte sich bewähren"

BWA Fachkommission Lebensmittelsicherheit & Lebensmittelhandel
Ralf Ohlmann sieht Vernebelungstechniken als einen wichtigen Baustein für bessere Hygiene in der Lebensmittelindustrie.
Ralf Ohlmann sieht Vernebelungstechniken als einen wichtigen Baustein für bessere Hygiene in der Lebensmittelindustrie.
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Interview mit Hygiene-Experte Ralf Ohlmann
"Vernebelung alternativer Hygienewirkstoffe konnte sich bewähren"
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Nach den Infektionsfällen bei Tönnies diskutieren Experten, wie Hygienekonzepte aussehen können, um solche Risiken zu minimieren. Aussichtsreiche Lösungsansätze beschreibt Ralf Ohlmann, Leiter der BWA Bundesfachkommission Lebensmittelsicherheit & Lebensmittelhandel, im Interview mit der LZ.


Herr Ohlmann, in welchen Bereichen der Food-Branche könnte es ähnliche hohe Infektionsvorfälle durch das direkte Prozessumfeld wie bei Tönnies geben?

Das ist ein Thema für alle Lebensmittelzweige mit gekühlten Bereichen und nicht nur in der Fleischwarenherstellung. Dazu zählen z.B. Fisch- und Feinkost, Molkereiprodukte, z.B. Frisch-/Weißkäseherstellung, Gemüse- und Obstverarbeitung sowie Teilbereiche von Großküchen und Caterern. Hier sind durch die neusten Erkenntnisse der Auswirkungen von Aerosolen am Arbeitsplatz auch angepasste Präventionskonzepte gefragt, um die Betriebe mit sicheren Lösungen zu unterstützen.

Müssen die Hygienekriterien für Produktionsbetriebe überarbeitet werden?
Dazu muss die Ausgangssituation berücksichtigt und eine klare Trennung zwischen hygienischer Lebensmittelsicherheit (Hygieneschutz für die Produkte), wie dem Arbeitsschutz (Infektionsrisikoverminderung von Personen) gezogen werden! Da wir von der BWA Bundesfachkommission Lebensmittelsicherheit & Lebensmittelhandel die Lebensmittelhersteller aus Audits kennen, ist im Bereich der hygienischen Lebensmittelsicherheit in den meisten Betrieben ein sehr guter Status vorliegend. Durch Corona ist der Begriff Hygieneabsicherung jedoch als Arbeitsschutz zu verstehen und hat mit der hygienischen Lebensmittelsicherheit nicht direkt etwas zu tun.

Eine schnelle und sichere Lösung auch zum nachhaltigen Infektionsschutz der Mitarbeiter, hat sich aus dem Bereich hygienische Lebensmittelsicherheit ergeben, die sich durch Vernebelung alternativer Hygienewirkstoffe schon bewähren konnte. Somit ist auch im aktuellen Pandemie-Fall eine schon vorliegende Hygienetechnologie einsetzbar. Das bedeutet lediglich eine Erweiterung der bestehenden Hygienekriterien und Einbindung in die technischen Prozessabläufe.

Bei der Situationsaufarbeitung des hohen Infektionsaufkommens bei Tönnies hat sich neben dem Hot Spot Unterkunft der Arbeitsplatz als wesentlich risikoreicher dargestellt. Dem gekühlten Arbeitsbereich mit hoher Personaldichte, z.B. in der Zerlegung, muss die größte Aufmerksamkeit bei einer nachhaltigen Infektionsrisikoverminderung zukommen. Diesem kann jedoch schon in großem Umfang mit der bewährten Hygienetechnologie als Vernebelung nachgekommen werden.

Was behinderte bisher die hygienische Effizienz in solchen Räumen?
Für eine objektive Bewertung müssen die vorliegenden baulichen und technischen Möglichkeiten, wie die Prozessabläufe im Einzelnen betrachtet werden. In der Anwendungsvariante des gleichmäßigen und homogenen Luftwechsels und der hoch abscheidenden Abfilterung, wie wir ihn z.B. in Reinräumen kennen, sind die strömungstechnischen Grundlagen vorrangig. Auch muss die Infektionsquelle als Person im Raum berücksichtigt werden, was eine Lokalisierung der "inneren Last" erschwert.

In den meisten Lebensmittelverarbeitungsbereichen gibt es so viele Einbauten, Zerlegebänder, Steigbänder, Transporteinrichtungen, Kabeltrassen, Rohrleitungen und Kühlaggregate, die einen sehr hohen Luftwiderstand bieten, oder sogar auch Eigenströmungen verursachen.

Ein homogen gesteuerter Luftwechsel mit ausreichender Abfilterung ist so kaum möglich. Aerosole können sich ungestört in dieser Atmosphäre verteilen. Hier konnte sich die Vernebelung alternativer Hygienewirkstoffe bewähren, die auch in diesen luftströmungsbedingten Umfeldern eine gute Wirkung zeigt.

Welche Lösungen sind denkbar? Muss die Branche groß investieren?
Ein erster wesentlicher Baustein wäre, dafür ausgelegte und geprüfte Vernebelungssysteme alternativer Hygienetechnologien einzusetzen. Diese sind als food protect bekannt auch auf Corona-Wirksamkeit getestet, für Mensch und für das Lebensmittel geprüft unbedenklich. Dabei wird die Infektion schon in der Luft bekämpft, bevor diese eine Person, oder eine Oberfläche im Raum erreichen kann.

In Fleischwarenbetrieben mit Einsatz dieser Technologie sind bisher keine Infektionsfälle aufgetreten, was den Betrieben größtmögliche Planungssicherheit gibt. Durch die einfache uns schnelle Prozessintegration sind diese Hygienetechnologien neben der hohen Wirksamkeit auch besonders wirtschaftlich, womit die notwendigen Investitionen auch von jedem Betrieb leicht zu realisieren sind.

In einem nächsten Schritt müssten zur Absicherung eines langfristigen effektiven Hygienesystems die bestehenden Prozessumfelder Hygiene – klimatisch analysiert und geplant optimiert werden. Das betrifft die baulichen Voraussetzungen, wie aber auch die Kühlungs- und Belüftungsanlagen als TGA. Das kostet Zeit und wird in wirtschaftlicher Hinsicht deutlich höher einzustufen sein.






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