Aber es gibt ein großes Misstrauen gegenüber freiwilligen Vereinbarungen der Wirtschaft.Die deutsche Staats- und Verwaltungsgläubigkeit verstehe ich nicht. Wenn wir in der Wirtschaft zusammenwirken, können wir viel mehr erreichen als die Politik. Außerdem sind wir viel flexibler. Versuchen Sie mal, ein Gesetz oder eine Verordnung zu ändern. Die sind wie in Stein gemeißelt. Das dauert Jahre. Bei unseren Leitfäden geht das viel schneller und praxisgerechter.
Trotzdem müssen sie für die Umsetzung der Gesetze in QS-Regeln sorgen.Natürlich müssen alle Gesetze und Verordnungen erfüllt werden. Aber unser Anspruch ist, diese praxisgerecht und einheitlich umzusetzen. Unser ganz großer Vorteil ist die Unabhängigkeit vom Staat. Das gilt sowohl inhaltlich als auch finanziell. Das ist so wertvoll, dass ich meinem Nachfolger sage: Das ist die oberste Priorität für QS! Nur so können wir gemeinsam in der Kette abgestimmt dynamisch agieren.
Wie fällt ihr persönlicher Rückblick aus?Es war eine großartige Zeit, es hat ganz viel Freude gemacht. Ich bin dankbar, dass ich die Chance bekommen habe, hier zu gestalten, zu entwickeln, auf- und auszubauen. Dafür hatte ich das Vertrauen der Gesellschafter, der Wirtschaftsbeteiligten und ein tolles Team.
Was war ihr größer Erfolg?Den kann ich nicht benennen. Wir haben es geschafft, ein Vorankommen an das andere zu knüpfen und haben nie nachgelassen, uns neue Ziele zu setzen. Was die Qualität der Inhalte und die Breite der Beteiligung im In- und Ausland angeht, sind wir nie zufrieden.
Es ist auch nicht immer glattgegangen, oder?Natürlich gab es auch Krisen. Nicht immer standen alle Wirtschaftsbeteiligten voll hinter uns und Kritik von außen haben wir auch erfahren. Entscheidend ist die Teilnahme des Lebensmitteleinzelhandels. Da waren schon Phasen, in denen wir darum kämpfen mussten, noch den ein oder anderen an Bord zu holen oder zu halten.
Wer gibt die Ziele vor, der LEH?Der Maßstab ist unverändert. QS gestaltet! Wir helfen mit, dass in der Kette gut miteinander gearbeitet wird und unterstützen dabei, dass über alle Stufen hinweg sichere Lebensmittel beim Verbraucher ankommen. Am Ende der Kette steht der Lebensmittelhandel. Der ist entscheidend bei der Benennung von kritischen Punkten, die besser gemeinschaftlich gelöst werden, weil die alleinige Lösung im Wettbewerb keinen Vorteil verschafft. Bestes Beispiel dafür ist die Initiative Tierwohl. Einzellösungen wären in der Nische stecken geblieben und hätte den Akteuren viel mehr Geld gekostet. In der Breite lässt sich für die Anpassung der Tierhaltung und für das Produkt Fleisch mehr erreichen.
Stichwort Tierwohl. Die QS-Regelungen für die Ferkelkastration haben bei deutschen Bauern für Unmut gesorgt.Ein Erfolg unserer Mannschaft ist die gegenseitige Anerkennung von QS-Systemen in Europa. Unser Vorteil ist: Wir haben in Deutschland den interessanten großen Markt. Aber nicht selten ist es so, dass wir mit den Nachbarländern Lösungen finden müssen, für Veränderungen, die uns die deutsche Politik einbrockt. Beispiel Ferkelkastration oder die Nutztierhaltungsverordnung. Die Politik macht Gesetze für Deutschland. Diese nationalen Alleingänge verursachen höhere Kosten, bringen aber keinen Cent mehr Geld. Wir als QS haben die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass auch ausländische QS-Teilnehmer die Standards eins zu eins einhalten. Aber wir können das deutsche Tierschutzgesetz nicht in die Niederlande oder nach Spanien bringen. Da gelten andere Gesetze. Wir müssen dafür sorgen, dass die Bedingungen gleichwertig sind und möglichst keine Wettbewerbsverzerrung entsteht. Als QS werden wir den Markt aber nicht behindern.
Welche Aufgaben sollte QS in nächster Zeit anpacken?Ein Thema, das wir angehen sollten, sind die pflanzlichen Fleischalternativen. Da gibt es noch keine entsprechende, übergreifende Qualitätssicherung. Das geht los beim Bauern, der die Erbsen anbaut und weiter zum Verarbeiter, der zum Teil ja schon - beispielsweise als Wursthersteller - QS-Systempartner ist. Aber hier muss auch der Handel sagen, ob er das haben will.
Wie ist es um die Digitalisierung von QS bestellt?Durch mehr Digitalisierung können wir beispielsweise die Effizienz unserer Auditierung verbessern. Aktuell sind die regelmäßigen Audits nur Momentaufnahmen. Es wäre doch viel besser, wenn es gelänge, den Prozess zusätzlich live abzubilden und so die reine Stichtagserfassung schrittweise zu ergänzen oder ganz zu ersetzen.
Was steht noch an? Die Herkunftskennzeichnung bis zum Verbraucher sollten wir in QS aktiv angehen und unterstützen. Das wäre natürlich nicht auf Deutschland beschränkt. Auch bei der Einbindung der Rinderhaltung in das QS-System, beginnend beim Kalb, besteht noch Bedarf.
Wie ist der Stand bei der Zusammenarbeit mit QM Milch e.V.?Der Handel, in diesem Fall BVLH, ist inzwischen Vereinsmitglied bei QM Milch. Eine Kollegin von uns, Katrin Spemann, ist ständiger Gast im QM Fachbeirat, ebenso ist umgekehrt ein Vertreter von QM Milch in unserem Fachbeirat. Wir reden konkret über gemeinsame Projekte. QS könnte Serviceleistungen wie das Datenmanagement übernehmen. Aber die Milchbranche ist anders organisiert als die Fleischbranche. Der Bereich muss sich erst noch in der stufenübergreifenden Qualitätssicherung sortieren und festlegen, wie er sich weiter organisieren möchte.
Ist QS offen für eine CO2-Bilanzierung?Wenn die Beteiligten möchten, dass wir das gemeinschaftlich diskutieren, sollte QS als Plattform zur Verfügung stehen und als Moderator helfen, einen Weg zu finden. Ziel muss sein, in der Breite etwas zu erreichen, das in der Praxis machbar ist. Möglich wären freiwillige Module. Bei Futtermitteln sind wir schon dabei. Weitere Themen könnten sein: Biodiversität oder Food Waste. Den Beteiligten muss aber wichtig sein, dass sie ihre Ware aus Deutschland beziehen wollen oder für ausländische Ware unsere Standards gelten.
Wovon sollte QS die Finger lassen?Zum Beispiel von Arbeits- und Sozialstandards. Das können und wollen wir nicht.